Centophobie

Es ist mal an der Zeit, über ein leider weitegehend ignoriertes verkehrspsychologisches Geschwindigkeitsproblem zu reden: „die Angst vor der 100″…


In „Corona“-Zeiten haben andere Themen einfach mal Pause – kann ja nicht sein, dass mehr als ein Thema auf der Agenda steht… der moderne Mensch kann ja mehr auch gar nicht verarbeiten…. Tempo-Limit auf Autobahnen, der neue Bußgeldkatalog, Greta, Renten-Reform… alles pausiert. Wie stehen da die Chancen, ein Thema zu bearbeiten, welches so und so nur eine Randerscheinung darstellt? Obwohl es täglich tausendfach vorkommt!

Das Szenario ist allseits bekannt und trifft träglich ein: Man fährt zum Feierabend nach Hause (oder in einen Kosumtempel der Wahl) und kaum sind mehr als ein paar Autos auf der Straße, verlangsamt sich der Verkehr. Nun ist dies in gewissem Maße vollkommen normal und physikalisch auch nicht anders lösbar, aber warum der Typ da vor mir am helligten Vorabend, bei 15 Grad und Sonnenschein nun partout nicht mit mehr als Tempo 80 über die wunderschöne fränkische Landstraße fährt, kann mit Logik nicht erklärt werden.

Ortsfremd? Nein, Kennzeichen passt.
Schlappes Auto? Nein, ein BMW aus dem letzten Jahrzehnt, also ganz normal.
Abbieger? Nein, überall nur Feld und Wald.
Gefährliche Straße? Nein, sanfte Kurven, sanfte Hügel, alles bestens einzusehen.
Tempo-Limit? „Tempo 60“ wurde bereits 200 Meter nach der Ampel aufgehoben.
Und da ja „schlechtes Wetter“ ebenfalls nicht gilt, bleibt die Frage nach dem Warum?

Wenn es ein Fahrschulstunde wäre, würde der Fahrlehrer dem Schüler sagen: „Hier ist 100, nicht 80.“ – das kann man leider als Verkehrsteilnehmer nicht. Die (Licht)Hupe fällt als Hinweisgeber ebenfalls aus, da dem Schleicher nicht bewusst ist, dass er schleicht oder sich gar „im Recht“ fühlt, weshalb das Signal nicht korrekt interpretiert werden kann. Und wenn man nach der StVO geht, sollte man auch nicht lichthupen, da ja keine Gefahrensituation vorliegt – sollte man nicht vergesen. Tja, und nah auffahren (aka „drängeln“) ist dann sogar ein Vergehen gegen die StVO und gehört eindeutig eher in den großstädtischen Straßenverkehr, wo dies ja Usus ist und nur im Falle eines Unfalls geahndet wird.

Was bleibt also? Auf einer Landstraße kann man ja vielleicht hier und da noch überholen, einfach ist dies aber nicht, schließlich gibt es unzählige Überholverbotszonen und natürlich auch den Gegenverkehr.
Bei all der Elektronik im Auto sollte es doch aber möglich sein, einen Fahrer darauf hinzuweisen, dass er langsamer fährt, als er er darf.
Warum also kein Info auf dem Display? Kein „Ey Du Depp, hier ist Landstraße, fahr gefälligst Tempo 100!“
Oder am besten gleich noch Google mit ins Boot holen: „Hallo Nutzer, wir registrieren über 300 Meter vor Dir kein Auto, aber über die 150 Meter hinter Dir sind gleich 4 Google-Nutzer unterwegs – kann es sein, dass Du ein blöder Schleicher bist?“
Wie wäre es gar, Maut-Säulen mit Langreichweiten-Radar auszustatten und mehr Durchschnittsgeschwindigkeitsmesser einzusetzen, damit ermittelt werden kann, wie lahmarschig ein Verkehrsteilnehmer unterwegs ist? Und für jeden Stundenkilometer unter 100 gibt’s 5 € Strafe! Das spornt an!
Und wieso das Ganze? Tja, wer mit 113 über die Landstraße fährt, ist sich der Lage bewusst (Toleranz 3 km/h, macht dann einen 10er als Bußgeld), das ist „berechnend“, was nur geht, wenn man wach ist. Aber die Schleicher sind im Kerne unsichere Fahrer, also just jene, die dann die rote Ampel übersehen, beim Rechtsabbiegen den Radler, die dann in der Dämmerung das Abblendlicht nicht anschalten usw. usw. oder aber sie haben einfach Angst…. German Angst? Angst vor der korrekten Geschwindgkeit? Angst vor Temp 100! Treu der dummen Devise „aus Sicherheit lieber etwas langsamer“ – also wenn das kein viel größeres Risiko für den Verkehr als ein Tempo-113-Fahrer darstellt…
Ach ja, uns es sind verdammte, elende Schleicher!!!1!1!11!eins!11!elf!!11!



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