Dyson versus Deutschland

dvsdEs gibt Dinge, die ganz logisch sind, wenn man die Hintergründe kennt. So auch die neuerlichen Äußerungen von James Dyson, dem Gottvater aller beutellosen Staubsauger, der Lichtgestalt für geplagte Putzmufffel und Intimfeind der deutschen Sauger-Industrie.

Beim Telegraph ließ sich Sir James diese Woche wieder zum Thema der Staubsauger aus, genauer gesagt sah er sich angesichts des VW-Abgas-Skandals dazu genötigt, gleich mal stark zu generalisieren und den Konkurrenten namens Bosch direkt aufs Korn zu nehmen. Er warf der deutschen Traditionmarke vor,  diese hätte in ihren Staubsaugern eine elektronische Steuerung verbaut, die dafür sorgt, dass in den für das EU-Staubsaugerlabel (Pflicht seit 1.9. 2014) notwendigen Tests beste Energie-Werte zustande kämen, diese aber im Alltagseinsatz gar nicht erreicht werden. Die Parallele zu den abgasenden VW-Autos ist also eine deutliche und bei allem Verständnis für die Rivalität muss man sich doch fragen, wie es eigentlich dazukommen konnte.

Man muss das Rad der Zeit weit zurückdrehen, bis Ende der 1990er: Damals wurde der Vorgänger der Ökodesignrichtlinie von der EU-Kommission ersonnen und der Grundgedanke schon der ersten Fassung war ein klarer: Energiesparen ist das Motto der Zukunft. Im Laufe der Jahre und durch diverse Novellen  wurden dann Verordnungen zum Standby-Energieverbrauch von unzähligen Haushaltsgeräten (z.B. Computernetzteile) erlassen, dann ging es der Glühlampe an den Kragen und anno 2009 wurde beschlossen, dass auch Staubsauger „energieverbrauchsrelevante Geräte“ seien und somit an die Kette gelegt werden müssen. An die Labels auf Kühlschrank und Waschmaschine gewöhnte sich der Konsument schnell, die Industrie wusste die Werbevorteile von A+ und Co. zu nutzen, doch beim Staubsauger, der letztes Jahr durch die EU-Verordnung 666/2013 auf Watt-Diät gesetzt wurde, war die Skepsis der Anwender groß – und die Skepsis von Sir James ebenso… und dies nicht mal zu Unrecht.

Zwar ist Großbritannien EU-Mitglied, dies aber aber auch nur, um direkt in Brüssel über die EU zu meckern, zu mosern und zu motzen… nein, so schlimm ist es nicht, aber die mentale und logistische Distanz zur EU ist eine große (nicht nur, weil das Schengen-Abkommen ja nicht vom UK unterzeichnet wurde). Gerade die deutsche Industrie, die nicht wie die britische am Boden liegt,  ist aus alter Tradition ein Feind und da nun gerade aber die dt. Industrie samt ihren verlängerten Armen namens FDP, CDU und SPD maßgeblich an den Ausgestaltungen aller EU-Verordnungen beteiligt war und ist und die Boschs und Mieles dieser Welt als forcierende Akteure pro Watt-Diät die globale Konkurrenz (die chinesische, türkische (Grundig) und schwedische (Electrolux – also AEG)) im Visier haben und sich die Briten schlicht nicht wehren konnten, ist Sir James not amused. Es ist löblich, dem Watt-Wahn Einhalt zu gebieten, die reale Umsetzung des Gedankens ist aber eine fragliche. Die Reinigungsaufgabe an sich definiert sich nicht allein durch die Energieaufnahme eines Geräts, sondern eben auch durch dessen Effizienz und dass die sparsamen Sauger nicht die Reinigungsseistung der vorherigen Generation erreichen, ist trotz aller Effizienzfortschritte nicht von der Hand zu weisen… v.a. wenn man sich genauer mit den Tests beschäftigt.
– die Limits z.B. bei der Luftfeuchte sind praxisfern (20 % relative Luftfeuchte)
– es gibt keine Bewertung der Staubaufnahme entlang von Wänden
– es gibt keine Bewertung keine für die Faseraufnahme vom Teppich
– … wobei Baumwolllintern und Wilton-Teppich an sich schon eine Kombi ist, die in keinem Haushalt liegt
– der Anwender führt die Düse auch nicht so oft über den Boden wie in der DIN EN 60312 vorgeschrieben und tut er es doch, steigt der Energieverbrauch, obwohl die Leistungsaufnahme gesunken ist

Ein A-Rating beim Energieverbrauch zu erzielen ist kein großes Problem, doch die Funktionalität leidet hierunter, weshalb AAAA-Sauger eine echte Seltenheit sind… und zudem teuer. Doch gerade hier wird es interessant:
– Dyson hat keinen AAAA-Sauger im Programm, ist gleichzeitig aber mit seiner Preisgestaltung genau in dieser Premium-Klasse verortet, kann also nicht auf dem Papier so tolle Geräte anbieten
–  die technologischen Nachteile von Zyklonsaugern werden durch das EU-Label offenbart, denn:
1. Zyklonsauger sind weniger effizient als Beutelsauger, weil diese im Gegensatz zu den Zyklonsaugern keine so hohen Luftdurchflussmengen benötigen
2. Beutelsauger sind daher auch leiser
3. immer mehr Anwender realisieren, dass „ohne Saugkraftverlust“ bei Zyklonsaugern (auch denen von Dyson!) nur gilt, wenn man…
1. die Füllmengen der Staubcontainer beachtet
2. die Container auch regelmäßig reinigt (Staub setzt sich in den Kanälen ab, das betrifft _alle_ Hersteller,  die Saugleistung sinkt daher auf Dauer)
3. auch die Filter wechselt oder reinigt (wiederum ganz grundlegend physikalisch die Saugleistung negativ beeinflussend)
Durch letzteren Punkt entstehen dann eben doch Zusatzkosten, was Dyson natürlich in keine der Werbe-Rechnungen (übrigens immer noch mit überzogenen Kosten für die ach-so-bösen Staubbeutel) angibt.

Sir James hat aber, das muss man sagen, absolut Recht, wenn er Bosch und die Tests für das EU-Label dafür kritisiert, dass die EU-Label-Testreihen mit leerem Staubbeutel durchgeführt werden können. Das ist natürlich praxisfern und wenn ein Beutel auch nur zur Hälfte gefüllt ist, sinkt die Saugleistung auch wirklich, das ist technologisch bedingt und nicht von der Hand zu weisen. Die grundlegende Kritik von Sir James sollte erhört werden, wird es aber nicht, denn ab 1. Januar 2017 tritt die nächste Stufe der Label-Verordnung inkraft und die dann nur noch maximal (!) 900 Watt futternden Sauger werden ihren Job zwar erledigen, aber von den dann geltenden Energie-Aufnahmewerte für A+++-Sauger werden die Dyson-Modelle meilenweit entfernt sein. Wo heute noch 28 kWh für den Bestwert verbraucht werden dürfen, werden es dann nur noch deren 10 sein… und das klappt nur mit einem Mini-Dyson… und Mini-Dirt-Devil… und Mini-Rowenta… und Mini-AEG…. und Mini-Bosch… die Liste lässt sich beliebig erweitern.

Spannend wird es auch zu sehen, wie die Stiftung Warentest mit den neuen Vorgaben dann umgeht – im letzten Test, wo der DC37C Allergy (in schlechter, alter Dyson-Tradition) nicht gut abschnitt, waren gute Bewertungen eher selten zu finden und auch wenn genaue Angaben durch die StiWa wie gewohnt fehlen (den Intranparenzvorwurf muss man auch an dieser Stelle einbringen, auch wenn die StiWa-Rechtsabteilung sich bisher erfolgreich und höchstrichterlich gegen alle Wünsche der „betroffenen“ Hersteller (also nicht Bosch und Miele) und der vollkommen zurecht schwindenden Leserschaft wehren konnte), so darf doch vermutet werden, dass spätestens in 2017 der Effizienz-Boomerang ans Ohr der Konsumenten fliegt und die dann doch eher auf Sir James hören statt A+++-Sauger zu kaufen.

JS für Orthy.de, C2015