Ein Missverständnis namens „Einstiegerwhisky“
Worüber geschulte Gaumen nur lächeln können, treibt dem Whisky-Neuling schon die Tränen in die Augen: Ein Whisky ist und bleibt ein Whisky und somit um ein Vielfaches „heftiger“ als all die üblichen Tropfen, die man sonst so zu sich nimmt. Auch weil sich viele Einsteiger-Tipps als Flopps entpuppen, muss man mit einigen Fehlannahmen aufgeräumt werden.
Auf die Frage „Hey, IVI, was empfielst Du so als Einsteiger-Whisky?“ antworte ich stets mit: „Das ist Geschmackssache und nicht wirklich planbar.“
Üblicherweise hole ich dann, wenn der Rezipient Willen ist, weit aus, schwenke von der Brennblasenform zur Fassreifung, vom Alter zum Preis – na eben das komprimierte, volle Programm. In den meisten Fällen sage ich dann, um den Fragenden nicht noch mehr zu belasten, abschließend: „Auchentoshan 12 Jahre“. Aber auch dieser seidige Scotch trifft nicht immer ins Schwarze.
Punkt 1 : Volumenprozente
„Ui, 46 Touren, das ist viel!“ ist so eine typische Aussage, die man hört, wenn es darum geht, zu erklären, warum Whisky eigtl. so wuchtig ist, so bissig, so „scharf“. Doch die Volumenprozente sind nur die halbe Wahrheit, oder besser gesagt: Immerhin die halbe!
Bier 5, Wein 10, Likör 20 , Whisky mindestens 40 – ja, es steckt eine Menge Alkohol im Whisky und Alkohol ist ein Neurotoxin und eigtl. etwas, was das Tier namens Mensch meidet, das ist im genetisch einprogrammiert und sogar gut so. Alkohol brennt auf der Zunge, genauer gesagt am hinteren Ende der Zunge, ein hoher Alk-Anteil ist natürlich Gewöhnungssache, aber solange die Zunge noch halbwegs arbeitet, merkt man die Wirkung des Alkohols. Ob ein Whisky aber nun 40 oder 46 Volumenprozente hat, gar 50 oder 54, macht keinen so großen Unterschied (prozentual schon gar nicht). Eines aber lässt sich auf jeden Fall sagen: Ein Whisky in Fassstärke (direkt und unverdünnt in die Flasche abgefüllt, meist 54 bis 60 %) ist nicht unbedingt der optimale Einstieg, denn hier überdeckt der Alkohol quasi alle Aromen, die der Neuling aus einem Whisky schmecken kann. Genau so wichtig wie der Alkoholgehalt ist aber die Antwort auf die Frage, wie sich dieser Alkohol gestaltet – und hier wird es knifflig.
Punkt 1.1 : Minus Schärfe, plus Süße
Einen Rohbrand (frisch gebrannter Whisky) kann man wahrlich nicht als schmackhaft bezeichnen, er ist „rass“, er beißt, ist scharf, hat kein Aroma – der Whisky braucht einige Jahre, damit ihm die Jugend ausgetrieben werden kann. Die scharfen, die störenden Bestandteile zersetzen sich mit der Zeit, gehen ins Fassholz über, erst nach rund 3 Jahren wird ein Whisky genießbar (außer man trickst mit frischen Holzfässern, mit viel Oberfläche und wenig Volumen). Diese „subtraktive Reifung“ ist die Grundvorraussetzung für einen gescheiten Whiskys, aber nur der halbe Weg. DerTropfen muss auch „additiv reifen“, also Aromen vom Fass aufnehmen – allen voran Vanille, Karamell und Eiche. Beim Bearbeiten der Fässer und während der Reifung gelangt eine erstaunliche Portion Vanille- und Zuckergeschmack in den Whisky. Der Holzzucker wird beim thermischen Behandeln der Fässer (dem „Toasten“) nämlich mit Leben erfüllt, und Vanillin ist vom Eichen-Tanin chemisch betrachtet nicht weit entfernt – tja, und die Eiche… nun, das dürfte sich angesichts der Eichenfässer von selbst erklären.
Punkt 1.2 : Eiche ist nicht gleich Eiche
Die amerikanische Weißeiche ist eine „milde“, die europäische Eiche hingegen ist wuchtig, intensiv, tanin-haltig, somit mit klarer Tendenz zu „bitter“ oder wenigstens „herb“ versehen. Man kann als Einsteiger durchaus das Wuchtige mögen, aber die eher leichte, dezente Weißeiche verleiht dann doch einen eher massenkompatiblen Charakter, wird deshalbh auch für die amerikanischen Bourbons benutzt ( „mild and mellow“ lautet da die Devise, also „mild und süßlich“). Dies setzt in den Reifejahren fort, es bilden sich zudem noch unzählige, faszinierende Fruchtnoten aus, alle aber leicht und mild.
Man könnte annehmen, dass nachgereifte Whiskys aus den diversen Weinfässern dank ihrer Fruchtigkeit und Süße gut für Einsteiger geeignet wären, doch in Europa reift man die (Stark)Weine traditioniell in europäischer Eiche – und wer mal einen „Sherryhammer“ (z.B. Glendronach Revival oder die alte Glenfaclas jenseits der 20 Jahre) probiert hat und nicht darauf vorbereitet ist, schmeckt neben der Schärfe dann auch noch eine starke Bitterkeit samt Trockenheit im Abgang. Daher: Alte sherry-gereifte Whiskys sind nicht die optimale Wahl für Einsteiger, alte Weißeichen-Whiskys (also aus einem Bourbon-Fass) hingegen schon.
Punkt 2: Brennereicharakter
Das Brennen von Whisky ist an sich keine komplizierte Sache, aber die mannigfaltigen Einflussfaktoren stellen kleine Drehrädchen dar, die massive Auswirkungen haben. Temperatur, Brennblasenform, Mehrfachdestillation, Art des Malzes, die real genutze Alkoholmenge sowie deren Zusammensetzung – alles keine Zauberei, aber im Ergebnis unfassbar variabel, auch innerhalb einer Destille. Kleine Brennblasen erzeugen an sich gern einen intensiven Whisky, müssen sie aber nicht (z.B. bei Macallan). Hohe Brennblasen mit langen, dünnen Hälsen sorgen für eine ruhige Alkoholsäule, wo man den milden Alkohol abzapfen kann, man muss dies aber nicht (z.B. bei Glenmorangie), ja nicht einmal die Mehrfachdestillation ist eine Garantie für einen milden Whisky, denn ein 2,5-fach-gebrannter Scotch (Springbank) muss nicht milder sein als ein zweifach-destillierter Whisky (Laphroaig). Allein, und dies ist fast als Ausnahme zu bezeichnen, die bewusst auf mild getrimmten, oft auch dreifach-destillierten Whiskys wie viele Irish, dazu eben auch Auchentoshan oder auch Hazelburn (übrigens: Springbank-Destille!) und Tomintoul sind wirklich mild. Vom reinen Charakter her ist übrigens der Laphroaig einer der mildesten Scotches überhaupt, die ganz eng eingeschnürten Brennblasenhälse sind hierfür verantwortlich, ganz ruhig steht die Alkoholsäule hier drinnen, der „high cut“ besteht aus sehr weichen, da hochdestillierte Alkoholen. Die schweren, kräftigen, fuselölhaltigen Alkohole („low cut“) werden kaum genutzt, kommen daher nicht ins Fass (hier liegt übrigens der größte Unterschied zu Lagavulin). Das Ergebnis: Obwohl der Laphroaig eine Rauchbombe ist, gibt es kaum einen weicheren, öligeren Scotch. Der Rauch allerdings polarisiert eben, dies gilt für alle Whiskys und v.a. für Laphroaig.
Punkt 3: Milder Rauch
Eine Rauchigkeit erhält ein Whisky, wenn die gemälzte Gerste über rauchendem Feuer getocknet wird (nasses Holz qualmt, hier gehen viele Raucharomen über – genau wie in der Räucherkammer für Fisch, Würste, Schinken etc.), früher gern und viel via Torffeuer, heute natürlich gern eher großindustriell realisiert. Torf riecht an sich übrigens fast nach nichts, schmeckt auch nach nichts, trotzdem wird seitens der Whiskgenießer noch gern von „Torfigkeit“ gesprochen. Gemeint ist hiermit ein sehr aromatischer Rauch, der nicht an ein Lagerfeuer erinnert (typisch für Ardbeg, Bowmore, Finlaggan), sondern eher an nasses Laub, welches heftig qualmt (typisch für Coal Ila, Smokehead, Ledaig). Die dritte „Rauchart“ ist dann der medizinische, der „phenolische“, für den Lagavulin und Laphroaig bekannt und beliebt sind – oder eben nicht, denn gerade der Desinfektionsmittel-Touch polarisiert extrem. Dies liegt aber auch an der Wucht des Rauches, denn mit über 40 ppm (parts per million – also 40 Rauch-Moleküle pro eine Million Gesamtmoleküle) ist der Rauch schlicht nicht zu überriechen, kann unvorbereitete Nasen sogar mit einem Gestank aus Teer zum Rümpfen bringen.
Beim Rauch macht es aber auch tatsächlich die simple Menge, unter 5 ppm kann man ihn kaum wahrnehmen, bis 10 ppm ist er schöne Beinote, ab 20 ppm kann er all jene, die Räucherschinken, Räucherfisch etc. nicht mögen, schon durchaus stören, über 30 ppm wird es intensiv und die absoluten Rauchbomben (Octomore) mit bis zu 160 ppm sind dann sowieso nur noch etwas für Freaks. Das erklärt dann auch, warum die Whiskys, die den Rauch als Beinote verwenden, sehr beliebt sind, allen voran Highland Park und Bunnahabhain. Besonders gelungen ist die Einbindung des Rauchs auch beim „Tomintoul Peaty Tang“, wo noch der grasige Charakter schön unterstützt wird. Gerade hier vermischt sich dann der Rauch auch mit einem Meerescharakter („Inselwhisky“, obwohl Tomintoul ein Highland-Scotch ist), eine ganze Stufe höher, intensiver dann beim Ledaig und Benriach, Port Charlotte (kommt übrigens aus der Bruichladdich Brennerei) und Talisker.
Punkt 4: Fazit?
Man könnt der oft gehörten These, ein „Speysider“ (Speyside = große Whiskysregion in den schottischen Highlands) wäre ideal für Einsteiger, durchaus beipflichten, denn diese Region bringt viele recht ähnliche, nämlich leichte, fruchtige (Apfel und Zitrus) Tropfen hervor, doch den oftmals jungen Whiskys mangelt es gern an Reife, zudem wird (auch aus Preisgründen) gern auf wiederverwendete Sherryfässer gesetzt, die dann eine deutliche Würzfracht mitbringen, die Fruchtigkeit aber vermissen lassen. Man könnte der ebenfalls oft gehörten These, ein Scotch von Islay oder von den Inseln wäre nicht für Einsteiger geeignet, durchaus zustimmen, denn deren Grundcharakter ist tatächlich wild und intensiv, überlastet ungeschulte Gaumen daher zu sehr. Man könnte der alles andere als selten gehörten These, ein Lowland-Whisky oder ein Irish wären super geeignet, durchaus zustimmen, doch Bladnoch, Glenkinchie, Connemara und Jameson bringen alle das mit, was der Anfänger eher nicht sucht (mal wuchtige Eiche, mal eine Pfeffrigkeit, mal viele Rauch, mal zu wenig Aroma – genau in dieser Reihenfolge). Tja, was kann man denn dann sagen?
Man muss aich an Einzelfälle halte, an spezifische Abfüllungen, die durchaus auch mal nicht repräsentativ für eine Destille sind. Daher hier eine kleine Liste der „echten Einsteigerwhiskys“ – samt kleiner Anmerkungen.
– Aberfeldy 12 Jahre (seidig, leicht würzig, sehr preiswert)
– Auchentoshan 12 Jahre (3-fach destilliert, sanft, sehr preiswert)
– Bruichladdichh Rocks (von Islay (!), fruchtig-leicht, Grenache-Fass)
– Edradour Burgundy Finish (Rotweinfass nachgereift, sehr fruchtig)
– Glenfarclas 15 Jahre (sherrytönig, aber kaum Eiche)
– Hazelburn 12 Jahre (3-fach destilliert, malzig, leicht würzig)
– Highland Park 12 Jahre (Orkney-Inseln, mild, fruchtig, komplex )
– Jura 16 Jahre (erdig, sherrytönig, nicht leicht, aber elegant)
– Jura Turas Mara (Sherry- und Portfass, fruchtig, leicht)
– Macallan Amber (sehr ausgewogen, fruchtig, süß)
– Tomintoul 16 Jahre (sehr weich, viel Karamell und Vanille)
Wer es generell rauchig mag, sollte den Smokehead (Islay, voluminös, süß) und vorab dem Tomintoul Peaty Tang (sehr weich, grasig, mild-rauchig) probieren.
Wer Geld und etwas Glück hat, sollte auch unbedingt (solange es ihn noch gibt) den Littlemill 12 Jahre verkosten, der einen herrlich süßen, leichten, fruchtigen Marshmallow-Charakter aufweist.
Punkt 5: das Aber!
Der Geschmack des Menschen ist nur im Ansatz berechenbar und weil ein Whisky etwas ist, was wahrlich nicht alltäglich und was mit anderen Sprirituosen nur schwerlich zu vergleichen ist, kann selbst ein Laphroaig Quarter Cask (intensiver geht es kaum!) durchaus auch auf starke Zustimmung durch einen Neuling treffen. Grund hierfür: Manche mögen es wuchtig, wissen es nur noch nicht. Manche erschmecken ein Whisky-„Erlebnis“, nicht einfach nur Eiche hier und Rauch da… der abschließende Tipp ist daher der wichtigste (ja, dramaturgisch fies positioniert, oder? *g*): Einfach ausprobieren!
JS für Orthy.de, C2014
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