Early Access oder Final Exit?

Indie-Games liegen im Trend, ein echter Boom hat sich hier entwickelt, natürlich auch weil die großen Publisher und Game-Studios immer mehr Geld in AAA-Titel stecken und das spielerische Element weit hinter finanziellen Interessen anstehen muss. Preiswerte Engine-Lizenzen und simple Verteilungsmöglichkeiten bieten viele Chancen, aber eben auch Risiken.

Es ist müßig darüber zu philosophieren, ob ein Spiel jemals „fertig“ sein kann, denn der Faktor Mensch ist eine schier unerschöpfliche Fehlerquelle, sein Werk somit stets fehlerbehaftet. Über viele Problemchen („Bugs“) kann man auch durchaus hinwegschauen, bei aller Liebe zum Spiel allerdings gibt es gewisse Grenzen und genau diese werden bei der Flut der aktuellen „Early Access“-Spiele klar überschritten.

Ja, ein Blick in die Vergangenheit offenbart echte „Klassiker“ des „Also das muss echt nicht sein“… vor 15 Jahren erblickte Counter Strike das Licht der Spielewelt und was als erste Version angeboten wurde, war unreif wie eine grüne Kirsche. Es war eine Frucht, also ein Spiel, aber kein gutes. Das Balancing war mieserabel, die Levelauswahl klein, die Bug-Liste lang … es kostete aber damals keinen Cent, pardon Pfennig natürlich. Das ist heute anders. Leider.

Viele neue Indie-Games werden von kleinen Entwicklerteams realisiert, manche Spiele gar von nur einer Person („Banished“ sei hier mal erwähnt), die Ressourcen sind also knapp und dies ist auch nachvollziehbar. Während aber Banished ein in sich schlüssiges Spiel ist, ein knackhartes übrigens, ein liebevoll gestaltetes und ein stabiles, was auch wirklich spielbar ist, sind zwo andere aktuell extrem populäre Spiele eingentlich nichts weiter als Betrug am Kunden. Mit „The Forest“ und „DayZ Standalone“ bekommt man für 10 bzw. 23 Euro keine Spiele, sondern spielbare Demo-Versionen, die mit „Alpha-Status“ noch sehr euphemistisch beschrieben sind.
Ob „Version 0.1“ oder Alpha oder Beta – es ist egal, es ist unfertig, es ist ein wandelnder Bug, der so dermaßen viele Unzulänglichkeiten beherbergt, dass mehr als ein Euro schon zu viel an investiertem Geld darstellt!
Es geht nicht um Perfektion, es geht um das Sichern von Grundsätzlichkeiten. Es geht um Speicherfunktion, die auch funktionieren (Seitenhieb auf „The Forest“) und nicht um Vögel, die in der Luft sitzen. Es geht um Gegner, die tot bleiben und nicht wieder auferstehen und dann dem Spieler Schaden zufügen, es geht nicht um falsch kalkulierte Crafting-Items („-1 von 80 Baumstämmen“), sondern um Gegner, die NICHT unterwasser ihre Steifzüge machen. Gerade solche Punkte lassen den Hals schon desjenigen gehörig anschwellen, der sich wenigstens ein klitzekleines Bisschen mit Programmierlogiken auskennt. Mit simpelsten Wegpunkten (set Area „Wasser“ = X, if X then „hier geht es nicht lang“) oder Variablen („Ammo = 1“) lassen sich heftige, ja das Spiel zerstörende Bugs nicht nur beheben, sondern auch vorweg verhindern. Das ist kein Aufwand, das ist keine Zauberei, das ist grundlegende Programmierlogik.
Ich habe vor 15 Jahren mit Borland Pascal einen IQ-Test programmiert, einen lustigen, einen harmlosen, trotzdem aber achtete ich darauf, dass keine Variable den Wert NULL hatt und keine Division durch diese Variable im Quellcode stand – das ist nicht kompliziert, wirklich nicht. Ob man nun bei der Namenseingabe einen String-Wert einen fixen INEGER-Wert versah, war nur Spielerei, aber eine Addition diverser Variablen war Pflicht, ganz einfach, Punkt, aus!

Man kann in einen Survial-Shooter eine 3rd-Person-View einbauen, dass diese taktische „Freiheiten“ ergibt, ist eine Sache, dass man aber durch Wände hindurchschauen kann, ist ein absolutes NO GO! Dass man durch Wände hüpfen kann, ist ebenso ein fataler Fehler, ein unverzeihlicher. Doch statt genau diese Fehler zu beheben, wurde in das aktuelle Update der Standalone-Version ein Mehr an Städten und Waffen integriert – dass mein Alter Ego kommentarlos beim Erklimmen einer Treppe oder Leiter willkürlich stirbt, wurde nicht gefixt … geht’s noch? Dean Hall, Chef-Entwickler von DayZ, verlässt Ende des Jahres das Studio, er hat die Fehler und die Entwcklung satt – angesichts von mittlerweile 800.000 verkauften Kopien darf man ihm sagen: „Hey, Du bist der Chef, warum hast du die simpelste Dinge nicht vorher überprüft?“

Ob nun „Early Access“, „Alpha-Version in Development“ oder „Beta-Version“, ob 0.1 oder Version 0.553.2.1.2 – der Käufer erhält ein mangelhaftes Produkt und vor dem Unmut schützen sich die Verkäufer vor rechtlichen Konsequenzen. Die Spieler regen sich zu Recht auf, denn was nützt eine Kuh, die man schlachten kann, wenn Sound-Bugs dafür sorgen, dass man Dinge hört, die nicht existent sind? Was nützt ein Eintrag im Patch-Log, wenn er eine Lüge ist? Was nutzen 10 Millionen eingenommene Dollar, wenn diese nicht sinnvoll investiert werden? Ein Dilemma … bei größeren Studios gibt es bei einigen Spielen „closed betas“, wo Spieler kostenlos als als Tester eingesetzt werden … in der Early-Access-Welt müssen sie für ihre Arbeit noch bezahlen. Na Danke!

JS für Orthy.de, C2014