Das Scotch-Duell: Part V
Heute: Kampf der Distiller’s Editions: Lagavulin vs. Talisker
Scotch-Herz was willst Du mehr als Rauch & Würze, Wucht & Frucht, Süße & Schärfe und dies auch noch von zwei legendären Brennereien?
Lagavulin und Talisker gehören nicht nur in jede Scotch-Sammlung und in jeden Pub, sondern, so darf man dies wohl sagen, tatsächlich von all jenen ruhig mal verkostet, die eine gewisse Affinität zum Scotch haben. Es verwundert nicht, dass es neben den jeweiligen „Standardabfüllungen“ (Talisker 10 und Lagavulin 16 yrs) auch eine sogenannte Distiller’s Edition („DE“) gibt, die eine besondere Abfüllung ist, nämlich eine gesondert nachgereifte. Talisker tut dies in Amoroso-Fässern, bei Lagavulin sind es Pedro-Ximenez – wie wirkt sich das auf den Geschmack aus und wer bietet die harmonischste Kombination?
Kategorie 1: der Rauch
Lagavulin ist bekannt für seine Phenol-Bomben, den birnenförmigen Brennblasen sei Dank gelangen viele Fuselöle (Phenole) in den Scotch, dies sorgt für den starken medizinischen Touch und dieser ist auch bei der DE sofort und deutlich zu erschnüffeln, doch der Brennereicharakter ist trotz der langen Reifezeit von 16 oder 17 Jahren (hängt vom Jahrgang ab) nicht verloren gegangen. Der spezielle Typus von Rauch spaltet aber die Gemüter, die einen Nasen finden ihn faszinierend, aromatisch und einfach lecker , die anderen Nasen werden abgeschreckt – ja, das ist wie bei Laphroaig, der anderen Phenolbombe von Islays Südküste. So dominant wie beim 16-jährigen Nicht-DE-Bruder ist der Rauch der DE aber nicht, er ist zurückhaltender, weniger aggressiv, besser in die anderen Aromen eingebunden, er ist runder und nicht so stark medizinisch wie beim normalen 16-Jährigen.
Selbiges lässt sich in Relation zwischen dem Normalen und der DE auch vom Talisker sagen, wobei dieser im Gegensatz zur oft zu hörenden Meinung in der Realität keinesfalls eine Rauchbombe ist. Ja, der Rauch ist klar präsent, ja, er umschmeichelt die Nase mit seinem Lagerfeuercharakter, ja, er macht Appetit, aber gegen die Rauch-Fracht vom Lagavulin kommt der Talisker bei weitem nicht an. Während der Lagavulin mit locker 40 ppm auftrumpft, weist der Talisker nur etwa 20 oder 25 auf – mehr als genug, um ihn als rauchigen Scotch zu bezeichnen, aber gegen die Südküstenfraktion von Islay hat der edle Tropfen von der Insel Skye keine Chance.
Kategorie 2: der Duft dahinter
Beiden Distiller’s Editions ist eines gemein: Schnell, sehr schnell erschnüffelt die Nase eine Aromenvielfalt hinter dem Rauch. Die Sherryfassnachreifung in Pedro Ximenez-Fässern bei Lagavulin macht extrem süß auf, duftet dann fruchtig hinterher. Dies gilt auch für das Ergebnis der Amoroso-Fässer des Taliskers, doch etwas weniger süß kommt dieser daher, vor allem aber bei weitem nicht so sherry-wuchtig. Schneller als beim Lagavulin zeigt der Talisker eine Malznote, eine recht intensive sogar, dazu noch etwa Zitrusduft – nicht untypisch für die Talisker an sich. Eine Eichenfracht bleibt in beiden Fällen aus, etwas Eiche riecht man aber im Lagavulin, dafür kommen klare dunkelfruchtige Noten nach Pflaume oder Brombeere durch, die beim Talisker dezenter sind. Einen Qualitätsunterschied kann man kaum konstatieren, bei beiden Scotches wird die Nase begeistert, wobei der Lagvulin einfach eine Klasse höher spielt.
Kategorie 3: der Geschmack
Der normale 16-jährige Lagavulin ist ein extrem intensiver Scotch, die DE ist dies auch, behält hierbei aber den so beliebten und gelobten Charakter, den „runden“. Wo viele Scotches eine starke Schärfe mitbringen, bleibt der Lagavulin stets „gedeckelt“. Er übertreibt mit keiner Note, bleibt für erfahrene Gaumen sogar sanft, trotzdem höchst würzig. Dies kann man vom Talisker nicht behaupten – und das schätzen so viele Genießer auch an dieser Brennerei. Der „Chili-Catch“ polarisiert: Die einen mögen die Schärfe, die klar über Pfeffer hinausgeht, die anderen finden genau dies irritierend, ablenkend, einfach als zu viel des Guten.
Bevor jedoch die Schärfe durchschlägt, erschmeckt man beim Talisker erst einmal eine wunderbar süße Kombination, einen milden Sherry, dann macht sich das Volumen breit, genau wie beim Lagavulin. Dieser ist anfänglich mild, süß, wirkt sanft, explodiert dann aber förmlich und bringt neben den auch beim Talisker zu schmeckenden Sherrynoten noch etwas Eiche mit, die aber im Gegensatz zum jüngeren Konkurrenzen nie trocken wird. Vor allem im direkten Vergleich wird übrigens auch deutlich, was mit „voller Körper“ bezeichnet wird: Während der Talisker durch seine Schärfe und Süße für Speichelfluss im Mund sorgt, erfüllt der Lagavulin den Gaumen mit stärkeren Aromen, mit mehr Aromen, mit Komplexität und Volumen und mit starken Rauch – der Talisker ist, wie auch der 10-jährige Bruder, eher „dünn“ und „flach“, ist geradliniger und ab dem Einsatz der Schärfe dann auch unausgewogen, fast schon eindimensional. Dies passiert beim Lagavulin nicht, zu keinem Zeitpunkt, und gerade wenn man denkt, dass das Geschmackserlebnis gleich von Alkohol und Eiche überdeckt werden wird, bremst sich der Lagavulin, bleibt ein intensiver, aber eben harmonischer Scotch.
Kategorie 4: der Abgang
Wenn das Attribut „langer Abgang“ verwendet werden darf, dann bei diesen beiden Scotches, denn beide bleiben lange im Gaumen und im Hals, wirken noch Minuten nach dem letzten Schluck. Beim Talisker dauert es ein wenig, bis die Schärfe verfliegt, dann eine leicht trockene Eiche verbleibt, beim Lagavulin bleibt eine starke, wärmende Komplexität zurück, mit dezenter Eiche und etwas Vanille, von Kakao aber keine Spur. Beim Talisker hingegen kommen Assoziationen an Kakao oder zartbitterer Schokolade auf, immer vorausgesetzt, der Gaumen ist etwas abgehärtet und man gönnt sich nicht nur ein einzigem, kleinen Schluck. Zwei oder drei Talisker am Abend lohnen sich übrigens, dann bleiben die flankierenden Geschmäcker klarer zurück, die Wärmewirkung wird stärker und stärker, länger und länger, die gesamte Speiseröhre wird wunderbar erhitzt.
Zieleinlauf
Beide Distiller’s Editions sind auf jeden Fall Scotches, die man verkostet haben muss, im Duell gibt es aber nur einen Sieger und dieser heißt ganz klar Lagavulin: Komplexer, intensiver, runder, ohne störende Spitzen – warum der Lagavulin als einer der besten Scotches überhaupt gilt, ist wirklich einfach nachzuvollziehen. Kritiker werfen der Lagavulin DE zwar vor, dass es sich hierbei um schwachgereifte Fässer handelt, die halt zwangsweise nachgereift werden müssen, doch dies schadet der DE nicht, im Gegenteil sogar, denn der normale 16-jährige Bruder ist etwas schärfer, etwas eichenlatiger und das schmeckt ja auch nicht jedem.
Die Schärfe beim Talisker ist Geschmackssache, wie alles an jedem Scotch natürlich, doch stört sie einfach das Geschmacksbild. Harmonischer wird der Talisker übrigens dann, wenn man ihn nicht als ersten Scotch genießt, sondern als (vor)letzter in einer kleinen Reihe. Ist der Gaumen erstmal an den Alkohol gewöhnt, kommt die Brennereicharakterschärfe nicht mehr so deutlich durch, der Gaumen kann sich mehr den Sherrynoten und dem Rauch widmen – der Talisker DE wird hierdurch tatsächlich schmackhafter.
Randnotizen
Aus den Highlands von Benriach gibt es gleich zwei ähnlich gelagerte Scotches, nämlich den 12-jährigen Heredotus Fumosus und den 17-jährigen Solstice, der Herodotus ist aber keine Rauchbombe, ist auch nicht so komplex wie der Lagavulin, der Solstice hingegen ist dank des Port-Finishes ein ganz feiner Tropfen, zudem auch (das darf verwundern) noch rauchiger als der 12-Jährige. Der Ballechin Port Cask Matured ist ein junger (5 Jahre) Scotch, der durchaus als rauchig bezeichnet werden darf, dem aber das geringe Alter anzuschmecken ist. Ganz im Gegensatz zum Bowmore Darkest, dessen hoher Anteil an Oloroso-Sherry und das Alter von 15 Jahren eine schöne Kombination darstellt, der Rauchgehalt ist aber, typisch für Bowmore, nicht so hoch. Wer sich vom Ardbeg Uigedail und vom Glenfarclas 21 Jahre viel Sherry respektive viel Rauch erwartet, wird zwar enttäuscht, beide Scotches sind trotzdem sehr empfehlenswert, vor allem für jene, die einen phenolischen Rauch nicht so mögen, eher den Lagerfeuertypus bevorzugen.
JS für Orthy.de, C2014
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