Paketzustellung als olympische Disziplin

Sport ist eine tolle Sache, so wunderbar mannigfaltig und kreativ in seinen Ausprägungen, so bunt, so … ja, auch kommerziell, ist ja klar.  An Putins Propagandaspielen sieht man aktuell wunderbar, wie weit der Mensch eine an sich gute Idee treiben kann – und hieran ist Putin nicht einmal schuld.


Gehen wir mal zurück ins alte Griechenland, schauen wir mal auf die ursprünglichen Olympischen Spiele – ja, es gab nicht so viele Disziplinen wie heute, sie hatten aber alle vier Aspekte gemein: Athletik, Geschicklichkeit, Wettbewerb und Regeln. Athletik kann man nun gern noch in Kraft und Ausdauer unterscheiden, damit wird man den Diskuswerfern und den Langläufen gerecht, was nur fair ist, denn die Herren erzielten damals schon erstaunliche Leistungen und wer nicht top-fit war, kam nicht mal zu den Spielen. Gerade am Diskus wird auch klar, wie wichtig Geschicklichkeit (Präzision, Timing, „Gefühl“) ist. Dass man nicht aus dem Ring treten durfte und nicht unendliche viele Versuche hatte, ist dann gleich noch ein Paradebeispiel für „Regeln“. Dass man weiter als die Gegner werfen musste, um als Gewinner aus dem Wettbewerb zu gehen, und dass das Publikum jubelte, als dem Lokalhelden der weiteste Wurf gelang, rundet die Sache ab. OK, ja, die Siegerprämie (nein, muss nicht materiell sein, damals zählte das Imaterielle sehr viel) nahm der Sieger natürlich auch gern mit, Ehre wem Ehre gebührt.

Und heute? Heute schieben Berta und Egon von nebenan einen Stein über eine Eisfläche, schrubben diese auch noch,  und nennen es Sport – ja mehr noch: Olympische Sportart … die höchste Ehre, die ein Sport erfahren kann, verdienen damit sogar mehr Geld als der Paket-Bote, der 10 Stunden am Tag treppauf, treppab Pakete schleppt. Dieser bekommt aber keine Medaille, allenfalls einen größeren Transporter, damit er noch mehr schleppen kann. Auch der Paket-Bote unterliegt Regeln (Spielleiter: der Chef), hat Gegner (GLS, DPD, Hermes, Autofahrer, Politessen usw.) spielt in einer Arena (der Markt, das Treppenhaus, der Straßenverkehr), braucht Geschick (4 Pakete übereinander tragen), hat Publikum (Berta und Egon, die einen neuen Schrubber geliefert bekommen) und erfreut selbiges (Berta und Egon sind höchst erfreut). Der Paket-Bote braucht natürlich auch eine Menge Kraft, die Waden sind stahlhart, die Rückenmuskulatur lässt Phil Taylor und Michael van Gerwen (suchmaschinen Sie mal nach diesen Herren) neidisch dreinblicken, und während 100-Meter-Sprinter in Sachen Taktik genau eine Option haben (Lauf Forrest, lauf!), muss der Paket-Bote sich seine Route zurechtlegen, seine Pausen planen, und natürlich bedenken, ja sogar flexibel sein, nämlich wenn Berta und Egon nicht daheim sind und der Schrubber bei der Nachbarin im 8. Stockwerk abgegeben muss. Der Paketbote tut niemandem weh (wichtiges Kriterium nach Ansprüchen von „SportAccord“), im Gegensatz zu Fußballspielern und Boxern – der Paketbote erfüllt sogar moralische Aspekte des Sports! Steine zu schieben ist wie Pakete zu schleppen – sie sollen ans Ziel, ohne Ziel kein Weg, ohne Erfüllung kein Sieg, Pakete haben aber wenigstens noch einen Sinn, nämlich mehr als nur den Selbstzweck.

Was dieser Exkurs in die Paketbotenwelt soll? Nun, was man heute so alles als „Sport“ bezeichnet, bietet ungemein viel Potenzial, herzhaft drüber zu lachen, den Kopf zu schütteln oder einfach nur mitleidig dreinzuschauen. Undifferenziert und anspruchslos betrachtet ist alles Sport.  Wenn feste Regeln, großzügige Sponsoren und ein paar Irre sich finden, kann anno 2022 ja vielleicht auch Indernasepopeln olympisch werden.  Tja, lieber Leser, noch lachen Sie, aber warten Sie mal ab, wenn Sie in 40 Jahren mit Ihren Kindern vor dem Holo-Fernseher hocken und die Enkel von Berta und Egon gerade das chinesische Indernasepopelteam mit 15 zu 13 Popeln besiegen!

JS für Orthy.de, C2014