Lost Spielspaß 3
Kollege Peyton hat’s nicht einfach, er schuftet auf einem Eisplaneten fern von Frau und Kind, hat zudem stets Eisstürme und die unfreundliche einheimische Fauna zu fürchten – man möchte nicht mit ihm tauschen, auf keinen Fall, aber mit ihm leiden … leider unfreiwillig.
Ich habe mich in den letzten Jahren ausführlich und wiederholt über Schlauch-Level, die Ödnis der festgelegten Wege, das Fehlen von Handlungsfreiheiten etc. pp. in den modernen Computerspielen echauffiert und um ehrlich zu sein, werde ich langsame müde. Es ist so, als würde man einem Nazi erklären wollen, dass „Jude“ keine Rasse ist, einem Scientologen, dass seine Religion nichts mit Wissenschaft zu tun hat oder Mario Barth, dass guter Humor eines Intellekts bedarf, daher bleibt die Enttäuschung aus, wohl aber nicht der Frust.
Ein Planet als Spielfeld, ein groooßer Roboter als Spielzeug, ein sympathischer Typ als Avatar und eine (na wenigstens partiell) schicke Grafik als Umgebung – so hätte „Lost Planet 3“ werden können, wenn das Wörtchen „wenn“ nicht wäre. Ich habe in den letzten Wochen zwo Spiele gezockt, „S.T.A.L.K.E.R. Shadow of Chernobyl“ und eben das Ding mit dem Eisplaneten, es liegen 6 Jahre zwischen den Spielen, beide sind Action-Kracher, beide spielen in einer ungewöhnlichen Umgebung, doch der Kontrast könnte kaum größer sein. Da genießt man Freiheit und Interaktion, dort langweilt man sich genau beim Gegenteil. Da hat man zu denken, dort nur zu reagieren. Da wählt man einen von vielen Wegen, dort hat man gleich gar keine Wahl – Entwicklung, wo bis du?
Vor einer Woche schlich ich bis an die Zähne bewaffnet mit Puls 120 zum 3. Mal durch ein AKW, vor einer Stunde stampfte ich ohne Waffen mit Puls 60 durch gänzlich unbekannte Höhlen. Vor einer Woche metzelte ich Monolithen nieder, vor einer Stunde zig Wellen von Akriden. Vor einer Woche kam ich auf des PSI-Rätsels Lösung, vor einer Stunde de-installierte den Eisplaneten. Vor einer Woche fluchte ich über Controller und Blutsauger, vor einer Stunde über … nix.
Es ist ein bisschen so, als wäre man Paris Hilton: Man sieht etwas, begreift es nicht, reagiert irgendwie und … geht einfach weiter – Lost Planet 3 hat in mir für genau 2 Minuten so etwas wie Interesse geweckt, just als ich den Rig, den groooßen Roboter, sah. Das Interesse legte sich, als ich mit dem Rig ins Freie ging – ist das nicht kurios? Nein, ist es nicht, denn man hat zwar einen schönen Ausblick, doch kann man ihn nicht genießen, weil man weiß, dass man ein paar Meter später aussteigt, irgendwas repariert, dann wieder ins Cockpit klettert, um das gerade Reparierte zu bewegen, sodann druch eine Höhle geht, in der nix los ist, um dann auszusteigen, um Akriden zu beballern. Dann macht man den Weg frei, steigt wieder ins Cockpit, kommt dann an einem weiteren Ding an, was man repariert, um schließlich wieder ins Cockpit zu klettern und in die Basis zurück zu kehren, durch die man dann rennt, um sich einen neuen Auftrag zu holen, der aus Dingereparieren, Akriden beballern und Cockpitklettern besteht. Als Highlight installiert man mal einen Sender, den man dann durch Akridenbeballern verteidigt – ein Deja-vu in Eisblau.
Ab und zu, zu völlig unpassenden Momenten, kommt dann eine Nachricht von Frauchen, und man stellt fest, dass es spannender wäre, ihr beim Abwasch zuzuschauen, als mal wieder …. na, Sie wissen schon: Akriden, Cockpit, Stampfen, Dingereparieren …
Ja, ich bin keine 12 Jahre alt, ja, ich lasse mich nicht so schnell beeindrucken, aber selbst als ich 12 war, langweilte ich mich sehr schnell bzgl. sich stets wiederholender Dinge, sei es nun Rundenlaufen im Stadion oder … puh, ach, Deutschunterricht, ja, das kann man immer anführen.
Ich fühle gerade nicht nur mit denen, die kein Pressemuster von Lost Planet 3 bekommen haben, sondern dafür echtes Geld ausgeben mussten, und ich fühle mit all jenen, die zu Debugging-Zwecken das Spiel zocken mussten. Im kleinen Städtchen Springfield aus dem Simpsons-Universum gab es mal eine Einschienenbahn, die nichts anderes tat, als sinnbefreit von X nach Y zu fahren, schließlich gar nur im Kreis – doch die hatte wenigstens Tempo drauf und stapfte nicht mit gefühlten 8 km/h durchs Eis.
JS für Orthy.de, C2013
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