20 Jahre beste Qualität

Runde Geburtstage muss man feiern, so richtig intensiv, vor allem natürlich, wenn es viel zu feiern gibt. 20 Jahre ist eine große Zeitspanne, 1993 sah die Welt noch anders aus, man dachte damals z.B., dass der CDU-Regierungschef nie wieder abgewält werden würde, obwohl er wie wild herumstümpert. Na jedenfalls gilt es heute einem kleinen, sympathischen TV-Sender zum Ehrentage zu gratulieren – ein Hoch auf RTL II!

 

RTL II hatte es nicht leicht, gab es doch auch 1993 schon genügend Vollprogrammsender, vier Mal wurde der Sendestart verschoben, der große Bruder RTL musste seinen Einfluss im Programmrat verringern, zum Start war RTL II in vielen TV-Zeitschriften nicht mal gelistet, und doch ließ sich der „…macht einfach Spaß“-Sender nicht aufhalten. Durchsetzungsstärke und frische Konzepte zahlten sich aus, man traute sich, Talenten eine Plattform zu geben, auch wenn z.B. bei Verona Feldbusch hier und da das ein oder andere kritische Wort zu hören und zu lesen bekam. RTL II erkannte als einziger deutscher Sender das Potenzial der mühevoll, mit Liebe produzierten, pädagogisch ungemein wertvollen Anime-Serien wie Pokemon, Digimon, Großeaugenmon, Kleinenasenmon, Yu-Gi-Oh! und Dragonball, punktete damit beim philosophisch interessierten Publikum auf voller Linie. Man konnte die Fahne des Kinderprogramms länger als anderen Sender, nämlich bis April 2011, hochhalten und musste sich erst dann dem Wandel der Zeit beugen – Undank ist der Welten Lohn!

Doch auch der zunehmend ausdifferenzierten Pluralisierung der Gesellschaft konnte sich der Gründwalder Free-TV-Sender erfolgreich stellen, über Jahre hinweg erprobte und stets verfeinerte Formate erlaubten einen problemlosen Übergang zur Erfüllung der neuen Bedürfnisse der neuen Zuschauergenerationen. Schon anno 2000 bewies RTL II sein Gespür für den Sinn der Zeit, als mit „Big Brother“ die erste Reality-Verfilmung der Orwell’schen Schreckensvision gelang. Nicht in schnöder Allegorieform im Stile von ARD und ZDF, sondern subversiv, den Zuschauer in einen selbstreflektionistischen Strudel aus Konflikten aller ethischen Bereiche hineinziehend – der vorgehaltene Spiegel wurde täglich klarer und beim Grande Finale konnten die Zuschauer die bittere Essenz ihrer und der vorgeführten Existenzen schmecken. Ein Kunstwerk epischen Ausmaßes, mit einer Dramaturgie, deren Komplexität für des Menschen simplen Geist nie beim ersten Versuch verstanden werden konnte, daher jährlich in immer neuen Facetten präsentiert wurde und für eine Re-Vitalisierung und Evolution der Hermeneutik im öffentlichen Diskurs sorgt. Dannhauer und Habermas, um eine Bewegtbildebene erweitert, ziehen ihre Hüte.
Generell sorgte sich RTL II über die Jahre hinweg um die Zukunft der Bundesrepublik und fokussierte sich auf jene Zuschauer, die beim ZDF eher in der letzten Reihe saßen. Die Förderung der Kultur in allen Lebensbereichen, intern als „Der große Kultursprung nach vorn“ bezeichnet, war eine Herzensangelegenheit. Es wurden Formate geschaffen, die bei den Öffentlich-Rechtlichen nicht mal ansatzweise bedacht wurden. Die Musik-Kultur wurde mit „Popstars“ ins Rampenlicht gerückt, die Koch-Kultur mit „Die Kochprofis“, die Abenteuer-Kultur mit „Takeshi’s Castle“ und stets wurde auch an die Kleinsten und deren Eltern gedacht (u.a. mit „Schnulleralarm – Wir bekommen ein Baby“ und „Pampers TV“). Doch auch auch vor heiklen Bereichen, in denen journalistische Fachkenntnisse und Fingerspitzengefühl in großen Mengen vorhanden sein müssen, schreckte RTL II nicht zurück. Bei „Frauentausch“ zeigt man sensibel alternative Wege der Erziehung auf, bei „Tatort Internet“ wurden ausgewiesene Experten zu Rate gezogen, um sachlich, aber mit der gebotenen Vorsicht die Gefahren des WWW für die Schutzbedürftigen darzustellen, bei „Die Geissens“ wiederum wurde für Toleranz geworben, jenen gegenüber, die eben nicht der Norm entsprechen, nicht über Anstand, Stil oder ein Gehirn verfügen. Nicht zuletzt wegen solcher Formate hat der kreative Sender heute einen überaus positiven Ruf, durch alle Gesellschaftsschichten hinweg.

Wenn sich RTL II in Zukunft noch teure, primitive, populistische Formate wie „Band of Brothers“, „Dexter“ oder „Law and Order“ spart und stattdessen das Geld hierfür in weitere hochqualitative, mutige Eigenproduktionen investiert, dann steht eine noch rosigere Zukunft ins Haus.

Liebes RTL II, auf die nächsten 20 Jahre und weiterhin toi toi toi!

JS für Orthy.de, C2013