Klientelgezocke in wunderschöner Umgebung

Nachdem ich gerade mal wieder da gelandet bin, wo ich schon vor einer halben Stunde war, mich diesmal die Gegner aber unvermittelt angreifen, obwohl sie gar nicht wissen können, dass ich der Wolf im Schafspelz bin, frage ich mich, was sich die Entwickler von Far Cry 3 gedacht haben, als sie das seltsame Speichersystem ersonnen haben. Dieses Grübeln über gewisse Aspekte will sich seit den ersten Spielsekunden nicht ignorieren lassen, doch nun kommt auch noch Frust hinzu.

In den Tiefen der grauen Zellen, unter den angegrauten Haaren, kommen Erinnerungen an den Frust der Savegames bei Far Cry 1 hoch … und an den Mod, der das segensreiche Schnellspeichern ermöglichte. Es war ein sinnvoller Mod, in gewisser Weise natürlich ein Cheat, denn das Gameplay wurde entscheidend geändert, der Spieler errang signifikante Vorteile. Die Frage aber ist: Warum wurde dieses Speichersystem nicht von Anfang an umgesetzt?
FC1 und FC3 sind sich in vielerlei Hinsicht gleich: die Kulisse, das Heizen in diversen Vehikeln durch die Landschaft, dazu eine krude Story und natürlich massenweise Gegner, die dumm wie eine Scheibe Brot sind. Das Verhalten erinnert mich stark an „Project IGI“, bei dem man auch nur warten musste, bis ein Gegner durch eine Tür kommt, um ihn dann mit einem gezielten Schuss in Kopfhöhe niederzustrecken, woraufhin er sich dann mehr oder minder gut animiert zu den 10 oder 20 bereits in der Tür liegenden NPC-Kameraden gesellt. Anspruch ist etwas anderes, KI auch, generell I, muss ja nicht automatisch künstlich sein, denn zuvor gibt’s ja immerhin die „MI“, also die menschliche Intelligenz, aber auch dies kann nicht überdurchschnittlich hoch gewesen sein, sonst würden geradezu lächerlich anmutende Szenen wie diese ja mit einem „Das müssen wir anders programmieren, verdammtnochmal!“ abgeschmettert worden sein. Schlimmer aber als das Hocken hinter Steinquadern und das gemütliche Warten auf das nächste Kopfschussopfer ist es, dies mehrmals tun zu müssen. Recht schnell verliert man den Spaß, widmet sich der flachen Spielwelt des Internets, um dann später weiterzuzocken. Umso ärgerlicher ist es dann, wenn man die 3-Groschen-Story fortsetzt, um sich an einem Funkturm wiederzufinden, was so viel bedeutet wie: „Die letzte halbe Stunden Zocken war umsonst.“ Also nochmal ins gegnerische Lager rennen, nochmal die KI „genießen“, nochmal die Fotos machen, nochmal die millionste „Zip Line“ hinunterjagen … Danke!

Wo ist eigtl. das Savegame hin? Das automatische, was an „bestimmen Punkten angelegt wird“, an welchen man keinesfalls den Rechner ausschalten sollte? Und warum sollte ich überhaupt den Rechner ausschalten, wo doch gerade der Spielfortschritt gespeichert wird? Ein Warnhinweis an die 13-jährigen, bei denen Mutti nicht merken soll, was sie zocken? Jeder halbwegs vernunftbegabte Mensch würde nicht auf die Idee kommen, den Rechner auszuschalten, wenn er gerade eine Mail verschickt oder in einem Forum ein Post absetzt … aber die Spieler von FC3 werden stets und ständig darauf hingewiesen. Ist die Klientel so doof wie die NPCs?

Warum leuchten eigtl. die Kisten, die es zu plündern gilt? Abgesehen davon, dass sich drinnen nur langweiliger Kram verbirgt, das Plündern sich also gar nicht lohnt, muss der Spieler doch nicht überdeutlich darauf aufmerksam gemacht werden, dass die Kiste, die da direkt neben dem gestrandeten Boot liegt, die mitten in einem kleinen Haus oder aber in unmittelbarer Nähe zu einem Munitionslager befindlich ist, eine ist, die man durchsuchen kann? Blinken die „jetzt senden“-Buttons bei Ihrem e-Mail-Anbieter? Blinkt der Schaltknüppel in Ihrem Auto? Ist die Klientel so blind oder so doof, wie die Programmierer vermuten?

Es wird dem Spieler also einiges sehr leicht gemacht, auch im Kampf, in dem die NPCs sich gern selbst mit den Molotov-Cocktails entzünden, sich von streunenden Hunden zerfleischen lassen, selbst gegen Emu-artige Vögel das Nachsehen haben und sich, ein echtes Highlight übrigens, an Straßensperren selbst in die Luft jagen, weil die Partoullie so doof ist, den verbündeten Piraten oder Söldnern in die Autos zu fahren. Ausgleichende Gerechtigkeit für das unkomfortable, nervende Speichersystem oder einfach nur pure Faulheit oder mangelnde Selbstreflektion der Programmierer? Oder aber eine Anpassung an die Klientel?

Dass durch das Aktivieren besetzter Funktürme Nachschubwege frei werden, wodurch man zu besseren Waffen gelagt, ist übrigens gar nicht mal so dumm, warum aber gibt’s dann keine Schnellreisemöglichkeit zu den Funktürmen? Böte sich doch perfekt an, noch dazu, weil es sonst ja kaum Schnellreisepunkte gibt, man sich also oft und lang durch die Landschaft bewegen muss, um hierbei auf die üblichen Probleme zu stoßen? Zu diesen gehören übrigens auch die Tiere, die über ganz erstaunliche Fähigkeiten verfügen. Tiger mit kugelsicheren Köpfen gehören da zu der auffälligsten Spezies. Hätte Darwin gewusst, dass eine Tigerstirn einer Gewehrkugel standhalten kann, hätte er wohl sein Buch „Survival Of The Bulletproof“ genannt. Warum gibt’s bei FC3 eigtl. kein Google-Maps? Man muss erst die Funktürme „freischalten“, um die Karte zu sehen. Ohne diesen Aufwand fährt man durch eine blaue Kartensuppe, wo nicht einmal die Straßen sichtbar werden, auf den man schon gefahren ist. Datenschutz? Oder aber Faulheit … na, Sie wissen schon.

Nein, von einem Spiel wie FC3 muss man keine neuen Anspruchswunder erwarten… oder doch? Warum nicht mal ein schlauer, logischer Shooter? Ohne solch grobe Schnitzer, die all jene Nutzer ärgern, die mehr als exakt NULL Erfahrung in diesem Genre haben? Wie wäre es mit einem Shooter, bei dem auch ein etwas taktischeres Vorgehen möglich ist, eines, das über das simple „Wie schalte ich den Gegner XYZ aus?“ hinausgeht? Man stelle sich mal vor, bei FC3 gäbe es keine aus dem Nichts auftauchenden Gegnerhorden, die all das Schleichen zuvor schlicht und einfach überflüssig machen … na das hätte was, nämlich „Sinn“.
FC1 ist eine Legende, nicht nur der Kulisse wegen, FC3 wird ein Spiel, was man in einem Jahr bereits vergessen hat – und obwohl dies gerecht ist, absolut nachzuvollziehen, ist es doch auch schade, denn FC3 hätte einen Gegentrend zum CoD-Aufgussgeplänkel werden können, ja sogar müssen, scheitert aber kläglich, auch weil selbst der neuste CoD-Teil noch intensiver ist als FC3. Genau so doof, genau so anspruchslos, aber wenigstens packender, dichter, emotionaler, nicht wie die Insel-Reise, die allein durch dramaturgisch abgegriffene Elemente der simpelsten Sorte für Emotionen sorgt, sich sonst aber in der tropischen Seichte des Zurücklehnens erschöpft, um allein hier und da mit unfreiwilliger Komik für ein Schmunzeln beim Spieler zu sorgen. Daher hier DIE Szene schlechthin:
NPC #1: „Er hat es auf die Hauptmänner abgesehen.
NPC #2: „Wo hat sich dieser Mistkerl versteckt?“
NPC #1: „Er hat es auf die Hauptmänner abgesehen.
NPC #2: „Ein Königreich für ein kaltes Bier.

JS für Orthy.de, C2012