Risen 2 – karibische Ödnis
Aus „Risen 2 – Dark Waters“ hätte ein richtig gutes Spiel werden werden können, auch weil Piranha Bytes sich an ein neues Setting gewagt hat, den Helden sogar Klettern lässt und es keinen Dietrich-Sammel-Wahnsinn gibt. Doch viele mehr oder minder Fehler, seltsame Entwicklungsphilisophien und Gameplay-Elemente lässen mich an der Ernsthaftigkeit des Projekts zweifeln. Von Beginn an hat man das Gefühl, Risen 2 ist nur für eines gut: sich mal so richtig schön zu ärger.
Sich rollenspielend durch eine Karibikwelt zu abenteuern, ist wirklich mal etwas Neues. Dann noch das Piratentum einzubringen, ist mutig und nötigt mir Respekt ab – ein Rollenspiele ohne Drachen, Geister usw. ist eine angenehme Abwechslung im Storybrei und, das darf man behaupten, das Konzept geht auf. Natürlich ist Risen 2 weniger mystisch, wirkt eher wie eine lange Reise, aber das OK, denn diese Idee setzt Risen 2 konsequent um. Es ist aber schade, dass viel Potenzial nicht genutzt wurde und zu viele Kompromisse eingangen wurden.
Wie auch beim lächerlichen Gothic 4 hat der Spieler keine Chance, seinen Avatar zu personalisieren. Ich habe zwar nichts gegen eine Augenklappe und dunkle Haare, aber irgendwie gehört zu einem angehenden Piraten doch wenigstens ein Bart. Schmale Schultern müssen auch nicht sein, eine schicke Narbe wäre dafür umso willkommener. Es wäre auch schön, mal eine nette Animation zu sehen, doch wenn unser angehende Pirat zu rennen beginnt, fühle ich mich in die Zeiten von vor 10 Jahren zurückversetzt, das gilt auch für die Gesichter, für alle, die einen seltsamen Comic-Stil offenbahren, keine Lippensynchronität kennen und alles sehr hölzern wirkt, was aber erstmal nicht auffällt, denn alle Dialoge werden vom Herumfuchteln mit den Armen überlagert. Selten haben NPC so dermaßen dick aufgetragen sehen, man möchte fast meinen, die Entwickler wären Fans von Wachsgesichtern und einer übertriebenen Gestik. Eine Identifizierung mit Personen wird unheimlich erschwert, Gegner können nicht ersntgenommen werden. Das liegt auch am Kampfsystem, welches mit „simpel“ noch freundlich beschrieben ist und mit „leicht chaotisch“ ein wohlwollendes Urteil erfährt, durch Bewegungsunfähigkeiten zu einer zähen Angelegenheit wird. Inmitten einer wundervoll bunten Südseewelt stakst und zappelt man als Anonymus herum, direkte Bezüge, Beziehungen und Interaktionen sind Mangelware. Dafür gibt es, natürlich, eine umgebungsabsolute Steuerung, kein Seitenschritte, kein Rückwärtsgehen, womit sich Risen 2 in die Riege der Steuerungspeinlichkeiten zu The Witcher 2 begibt. Dass nach jedem Besuch im Inventar erneut die Waffe gezückt werden muss, passt da hervorragend ins verzerrte Bild, vor allem weil werte Sekundenbruchteile verloren gehen und der Kampf eine unfaire Einflussnahme erfährt.
Das alles wäre aber gar nicht fatal, wenn die Missionen richtig was hermachen würden, doch das Laufburschen- und Botentum erinnert nicht nur stark an Gothic 4, sondern ist auch genau so dröge. Ich soll eine Superwaffe finden und trage permanent Grog und Rum durch die Gegend, ich muss meinen Avatar kampfbereit machen, gehe auf Sklavenjagd und bekomme dafür 300 Gold, wovon ich mir gerade einmal 2 Schaufeln kaufen kann. Es ist kein Wunder, dass keiner der Kämpfer der Inquisistion diesen Auftrag annehmen will! Ich habe eine Pistole, mit der ich nicht zielen kann, ein Schwert, welches Gegner selbst auf niedrigster Schwierigkeitsstufe zig mal treffen muss, um ihn niederzustrecken und muss permanent Sandteufel treten. Ich muss mich eines Jaguars erwehren, kann ihn aber nicht plündern, ich nehme ein Duell an, obwohl ich dies nicht wollte, und danach steht der Gegner auf, setzt sich auf eine Bank und ignoriert mich fortan. Der Kampf ist ein Krampf. Das Spiel plätschert lieblos vor sich hin.
Und die Mitstreiter? An sich eine praktische Sache, naürlich allein im Kampf, aber immerhin. Hier und da ein Tipp oder amüsanter Spruch, da und dort spezielle Fähigkeiten, Befehle aber kann man nicht erteilen, Taktiken gibt es schlicht nicht. Das Zusammenspiel mit den Mitstreitern im Kampf ist Piranha Bytes gründlich misslungen. An Genreprimus Mass Effect vorbeizuziehen ist, ehrlich gesagt, natürlich auch nicht leicht, doch hat man schnell das Gefühl, dass Piranha Bytes nicht einmal versucht hat, bei ME auch nur irgend etwas zu kopieren, sondern an einer Idee festhielt: Mitstreiter ist präsent und fertig. Sie kommen auch nach Stunden nicht aus ihrem Korsett heraus, genau wie der Spieler, der nichts Episches erfährt, nicht Faszinierendes, nichts, was für einen Wiederspielwert sorgt. Moralische Entscheidungen, unterschiedliche Wege zum Ziel – alles nicht wirklich präsent, alles nicht wirklich präsentiert.
Was bekommt man nun eigentlich mit Risen 2? Letztlich nur eines: ein halbes Spiel.
JS für Orthy.de, C2012
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