IVIs Testblog (Finale?)

Ei, wie die Zeit vergeht, lang ist es her, als Teil 22 online ging,  und die Welt stand seitdem natürlich nicht still. Wieso sollte sie auch? Ein paar Dinge aber haben sich geändert, ich würde sogar so weit gehen zu sagen, dass dies teils sogar zum Besseren geschah.  Ob ich hierfür verantwortlich bin, darf natürlich mit einem klaren NÖ! beantwortet werden, aber das ist egal, denn das Ziel zählt, nicht aber der, der hier und da vielleicht ein Steinchen aus dem Weg geräumt hat. Ein paar Steine liegen aber dennoch herum, auch auf ganz anderen Wegen.

 

Widmen wir uns zuerst den schönen Seiten des WWW, den positiven Entwicklungen. Da wäre zum Beispiel das Verschwinden von Review-Base.de zu vermelden. Der Prototyp des dilettantischen Geblubbers sollte einst sogar als Printmagazin erscheinen, somit den Stumpfsinn an den Kiosk bringen, doch schnell verlief dieses Projekt im Sande, eventuell weil die Autoren irgendwann einsehen mussten, dass Druckwerke eine ganz andere Liga sind als auf einer zusammengeschusterten Seite im WWW sinnfreies Geschreibsel unterzubringen. Wohl aber auch, weil selbst gutmütige Sample-Lieferanten tatsächlich auch mal den Unsinn lasen, für den sie da Muster verschickten. Es könnte auch daran gelegen haben, dass das Autorenteam Ärger von Mutti bekam, weil die Knaben keine Hausaufgaben erledigten, nicht für die Schule lernten und deshalb der Hauptschulabschluss in Gefahr war. Das klingt fies? Nun, so ist die Welt, man muss es nur einsehen wollen.

Der Widerspruch zwischen Anspruch und Realität in Form einer URL namens www.hardware-experten.de existiert zwar noch, doch ist die Seite mittlerweile voller Werbe-Links zu Schnäppchenangeboten und Tests findet man nur noch am äußersten Rande. OK, das war früher nicht anders, echte Tests gab es dort nie, aber sie waren im Testkleid mit Schleifchen verpackt und vermittelten daher den Eindruck, es würde sich um Tests handeln. Dass alles nur dem AFRI -Prinzip folgte, konnten die Hardware-UNexperten nicht wirklich lang geheimhalten, und so wandelte sich die Seite langsam vom tägliche-Dosis-Idiotie zur tägliche-Dosis-Links-Portal.

Auch Young-Modders gibt es noch, doch wäre selbst „Tote Hose“ noch ein euphemistischer Begriff, denn dazu müsste vorher ja Leben existiert haben, angesichts des zombiehaften Buchstabensalats, der über Jahre ins WWW gespuckt wurde, durfte man aber von Beginn an die Existenz von Leben der intelligenten Art bezweifeln. Das gilt genau für PC-Special.net und deren Inkompetenz selbst simpelste Zusammenhänge zu erkennen und wenigstens Grundlagenwissen an den Tag zu legen. Stand der Dinge heute:  allein ein Forum gibt es noch, wie es um dieses bestellt ist, bedarf einer genauen Beschreibung wohl kaum.

Sterben die Möchtegerns nun aus? Ersparen sie uns die Präsentation ihres Unwissens? Sind Award-Schleudern irgendwie out? Nein!
Man muss den Blick aufs Globale wagen, um zu verstehen, wie es lief und läuft und laufen wird. Mehr als nur halbgare Reviews und Tests, die basisrelevanten Ansprüchen nicht mal ansatzweise genügen, gab es schon lange vor dem WWW. Das Betrachten eines zu testenden Objektes, ohne eine Inbetriebnahme,  ist einer der Klassiker, das nicht umfassende Testen eines Objektes ist der andere. Ohne Vergleichswerte zu liefern, sind Zahlen und Werte herzlich sinnlos, denn eine Einordnung einer wie auch immer gearteten Leistung ist nicht möglich. Vieles hängt aber davon ab, was mit einem Test erreicht werden soll. So kann eine Unmenge an Bildern durchaus Fragen beantworten, die der geneigste Käufer sich stellt, muss aber nicht. So kann ein „Test“  auch einfach das Ziel haben, dem Hersteller einen Award zu liefern, damit den Einstieg in einen Markt zu erleichtern, doch die Vielzahl an Test-Seiten, Reviews und Meinungen, vor allem Gegenaussagen und sogar Widerlegungen verdarb über die Jahre hinweg die allgemein gute Stimmung. Wer nun denkt, dass Finanz- und Wirtschaftskrise nicht omnipräsent sind, dürfte mittlerweile einsehen müssen, dass genau dies nicht der Fall ist. Die Margen sind teils winzig, der betriebene Aufwand dafür enorm, der Kampf um den Kunden führt zu irrsinnigen Missverhältnissen, in welchen PR- und Werbekosten viel höher liegen als Entwicklungskosten – und dies rächt sich! Irgendwann musste auch Zalman einsehen, dass man nicht mehr schon vor Jahren technisch überholte Lüfter verbauen kann, so mussten OCZ und Gigabyte einsehen, dass „einfach so nebenbei ein bisschen Kühlungskram zu verkaufen“ nicht auf Dauer funktioniert. Das Sektor- und das Firmensterben nennt man allgemein die Konsolidierungsphase, in der ein überhitzter Markt „abkühlt“, sich neu sortiert – das gilt eben auch für die Review-Seiten. Das Kernproblem aber bleibt: Wie bringe ich ein Produkt an den Käufer? Vor allem, wenn es bessere Produkte gibt, die auch nöch preiswerter sind? Politische Parteien haben das gleiche Problem. Es wurden künstliche Märkte geschaffen (Silikon-Spray für Mauspads), lange überdauerten sie aber nicht. Die Nische wurde für viele Firmen zum Ziel, mal klappte es (Alpenföhn, G.Skill), mal nicht (man denke nur an die Kühler von AeroCool), doch ist der Massenmarkt bestimmend, nur da kann man richtig Geld verdienen. Dies gilt für alle Märke, alle Produkte, Risiken können sich lohnen, die Regel ist dies aber nicht.  Ein inherentes Attribut des Massenmarkt ist aber ein unreflektierender Konsument, der sich mit Technologie und Sinn nur zweit- oder drittrangig beschäftigt.  Die Dialektik des Massenmarktes in unserer pluralisierten Zeit besteht darin, dass die durchaus individuellen Wünsche und Vorstellungen des Kosumenten in ein Korsett gepresst werden, sich somit selbst eingrenzen. Von der „Arsch-Geweih“-Welle vor einigen Jahren bis zur Apple-Manie des Jetzt spannt sich der Bogen, wird auch in Zukunft existieren. Die Profiteure sind die großen Firmen, die nicht selbst entwickeln, sondern anderen das Denken überlassen. Die Tablets von heute haben verspiegelte Displays, PCCooler entwickelt und zig Kühler-„Hersteller“ (Spire, Revoltec, Alpenföhn, DeepCool, SilenX,  KingWin, AeroCool,  Nesteq, Xilence, Akasa, Titan und Evercool) kaufen Lizenzen, pappen einen Namen auf die Verpackung und fertig. Wenn die Firmen schon beschränkt denken und handeln, wie sollten es die „Tester“ dann anders machen? Und wäre es nicht kontraproduktiv, die Wahrheit darzustellen? Je umfangreicher man testet, je mehr man erklärt und erläutert, desto höher das Risiko, die Uniformität zu beweisen, Fehler zu finden und Produkte damit als das hinzustellen, was sie sind: von Menschenhand gemachte, unter dem Primat des Gewinnstrebens gebaute Phänomene, deren Entwicklung hinkt und deren Anwenderfreundlichkeit kein Stück ausgereizt ist.

OK, ich gebe zu, das war jetzt ein Rundumschlag, doch auch in der alltäglichen Praxis lässt sich aufzeigen, wie sinnbefreit Produkte sein können und wie sie dennoch gelobt werden können. Amazon mit seinen Kundenrezenionen ist da ein wohlbekannter Kopfschüttelgrund, Ciao und Co. kein Stück besser. Auch abseits von einerseits komplexen Computergehäuse und andererseits USB-Sticks, die volle 5 Sterne bekommen, einfach weil sie vom Computer erkannt werden und darauf hin genutzt werden können, ist der Awardwahn auch in viele andere Bereiche des Lebens vorgedrungen. Die Stiftung Warentest ist wohlbekannt, sie gilt als unabhängig und kompetent, doch wer sich in der Computertechologie auskennt, muss über die StiWa-Tests herzhaft lachen, tut dies seit vielen, vielen Jahren (dazu in Bälde mehr). Doch auch kleine Publikationen, die (teils zu Recht) quasi unbekannt sind, wollen mitspielen und geben sich der Lächerlichkeit preis. Von den Herstellern werden sie dennoch geliebt, denn nichts hilft dem Image bei Kühlschränken und Tischgrills, Toastern und Rasenmähern so wie ein Testlogo. Noch dazu, weil die anvisierte Klientel nicht zur Generation Internet gehört und dem festen Glauben verfallen ist, dass Gedrucktes irgendwie wahrhaftiger ist.

Man könnte vermuten, dass die aktuelle Ausgabe des ETM-Testmagazins von den Jungs der Review-Base geschrieben wurde, denn was inhaltlich untergebracht wurde, hat mit Logik und Fachwissen nicht viel zu tun. Es werden Wasserkocher zusätzlich aufgewertet, da sie ein Fassungsvermögen von 1,7 Liter haben, nachdem  eh schon bewertet  (15 Prozent der Gesamtnote!) wurde, dass sie ein Fassungsvermögen von 1,7 Litern haben. Wer einen kleinen Wasserkocher kaufen möchte, weil er einen großen nicht braucht, muss sich also fragen, wie die Endnote wohl aussehen würde, wenn eine Vergleichbarkeit gegeben wäre. Besonders lustig: die volle Punktzahl erreicht kein Wasserkocher, denn der Referenzpunkt liegt bei 2,8 Liter, doch dieses Volumen bietet kein auf dem Markt erhältiches Modell der Klasse  Wasserkocher-in-Kannenform. Um die Bestnote bei der Erhitzungsdauer zu erlangen, muss der Kandidat 1 Liter Wasser binnen 10 Sekunden zum Kochen bringen, die wichtige Energieeffizient (in diesem Falle wunderbar einfach zu ermitteln) wird komplett ignoriert.  Bei den Toastern wird nicht über Abdeckung und Farbdifferenzen berichtet, bei den Kaffeefiltermaschinen kein Wort über das Aroma verloren, wohl aber sorgt eine Aroma-Funktion für eine Aufwertung, obwohl ein Test der Funktion gar nicht stattfindet. Das ETM darf sich übrigens auch um den Nobelpreis bewerben, denn im Test gelang es, Edelstahl davon zu überzeugen, Wärme nicht mehr zu leiten, weshalb das kochend heiße Wasser im Wasserkocher nicht dafür sorgte,  dass die Außenwand kochend heiß wird, sondern bei rund 40 °C verharrt. Unterm Strich bekommen 90 Prozent der getesteten Geräte ein SEHR GUT oder GUT, die Logos werden verkauft (400 Euro pro Stück) und die Hersteller freuen sich, dass sie günstig zu einer Auszeichnung gekommen sind. Wie dies geschieht, ist nicht wichtig, der Schein zählt. Der Blödsinn hat beim ETM System, bald gibt es die 80. Ausgabe und wir dürfen gespannt sein, welche Sensationen darin zu lesen sein werden. Vielleicht ja wieder Getreidemühlen, die eine enorme Mahlgeschwindigkeit aufweisen, über die selbst die Hersteller nur den Kopf schütteln.

Hier eine kleine Freude, da eine neue Großbaustelle – Tests sind wie die Menschen, mal kritisch und mal beschönigend, mal investigativ und mal oberflächlich, mal ehrlich und mal korrupt, nie aber peferkt und immer nur ein Abbild der Welt.

 

JS für Orthy.de, C2012