Ganz knapp vorbei

NVidias Eisen in der Mittelklasse, die GTX560, ist ein echt heißes, doch nicht im Sinne der Temperatur. Der GF114-Chip ist sparsam beim Nichtstun und auch unter Last kein Hitzkopf, natürlich aber nur solange ein gescheiter Kühler draufsitzt.  Da nun endlich auch im größeren Stile die GraKa-Hersteller kappieren, dass die Referenzkühler der Chiphersteller eine Zumutung sind, wird fröhlich an diversen Alternativen gebastelt und siehe da: es kann sogar etwas Gutes dabei herauskommen. Doch zum vollen Lobe fehlt noch immer ein Schritt. Traurig hierbei ist, dass es ein gerade lächerlich simpler ist.

Vor Jahren verbaute Gainward auf FX-Karten der 59xx-er Klasse einen Alublock, auf welchem ein für damalige Zeiten sensationell großer Lüfter lief, ein 80er. Vor fast 3 Jahren begann ATIs Hausmarke Sapphire damit, „Vapor-X„-Kühler zu verbauen, deren größtes Plus aber nicht etwa in der Dampfkammer lag, sondern im, man kann es erahnen, recht großen Lüfter. Die Rechnung ist simpel: je größer der Lüfter, desto geringer die benötigte Drehzahl, um die Menge X an Frischluft zuzuführen. In guter, alter ATI-Tradition wagte Sapphire jedoch nicht den Schritt gen 90er oder 100er Lüfter und noch bevor sich der Hype um die ach-so-leisen Alternativkühler legte, versuchte MSI aufzutrumpfen. Deren Cyclone-Kühler war größer, schwerer und optisch auffälliger als alles Vergleichbare, besaß sogar einen 25mm dicken Lüfter, der über ein ganz gutes Lager verfügte. Das ungünstige (vorsichtig ausgedrückt!) Strömungskonzept und die geringe Kühloberfläche sorgten dafür, dass letztlich mehr Schein als Sein den Käufer erwartete. Es dauerte eine ganze Weile, bis die Hersteller einsahen, dass Dual-Fan-Kühler wohl doch sinnvoller sind, und noch mehr Zeit verging, bis man verstand, dass Dual-Fan-Kühler nur dann sinnvoll sind, wenn große Lüfter verbaut werden. Bis zur GTX460 dauerte es, bis Kühler-Lüfter-Kombinationen verbaut wurden, die man als „echt gut soweit“ bezeichnen konnte. Ob Gigabytes Windforce, MSIs HAWK oder Sparkles Calibre – eine Lernkurve war nun zu erkennen.

Ein leiser Silberstreif am Firmament, für den Spielspaß ungehemmt, allenfalls noch sei zu lauschen einem dezenten, hintergründigen Rauschen.

OK, es ist noch nicht bis zu allen Herstellern vorgedrungen, Ramschlit, Möchtegernward, Schrottac und LOLVGA setzen immer noch gern und viel auf Blender und brüllaffige Spielzeugkühler, doch selbst eher für ihre Trägheit bekannte Hersteller wie Club3D oder Halbgarlösungsanbieter wie ASUS haben dazugelernt und nehmen die Wünsche der Kunden zunehmend ernster. Die vorläufige Krönung kommt aber von Gigabyte, die mit der GTX560 samt Windforce 2X-Kühler einen weiteren Schritt gen Zukunft gegangen sind. Soweit, so gut, doch der Schritt hätte größer ausfallen können, ja müssen!

Gigabyte hat hat seit Jahren erstaunlich gute Lüfter im Angebot, da kauft man clever ein, v.a. bei Everflow, setzt auf feine Gleitlager, so verwundert es nicht, dass die beiden 100er auf dem Windforce 2X richtig gute Vertreter ihrer Art sind. Beim Nichtstun touren sie mit recht gemütlichen 970 bis 1050 Umdrehungen pro Minute, halten den Chip damit bei gar fröstlichen 28 °C (DeltaT zur Raumtemp = ~ 10 K), was natürlich an der geringen Verlustleistung des GF114 liegt, aber eben auch am großen Kühler und den beiden Lüftern. Ich will jetzt auch gar nicht über die extrem großzügig applizierte Wärmeleitpaste meckern, die locker für 3 Karten ausgereicht hätte, wohl aber kann und muss ich mich über das verschenkte Potenzial aufregen. Dass eine GPU nur 10 Grad wärmer als die Raumluft wird, ist an sich ja toll, aber eben auch herzlich unnütz. In einem solchem Falle denkt jeder private Anwender daran, die Drehzahl zu verringern, damit die Stufe von „leise“ zu „quasi unhörbar“ genommen werden kann. Gigabyte aber dachte hieran leider nicht, die BIOS-Vorgaben seitens NVidia (Minimaldrehzahl = 40%) wurden blind eingehalten und somit bleibt die GTX560 hörbar und in einem Temperaturbereich, der überhaupt nicht notwendig ist. Eine Lüfterdrehzahl von 35 oder 30 % würde absolut ausreichen, die beiden 100er Lüfter würden dann mit unter 800 Touren drehen und nur noch hörbar sein, wenn man sein Haupt ins PC-Gehäuse steckt. Die GPU-Temp würde kaum über 40 °C steigen und nicht nur Enthusiasten wären begeistert, wie herrlich leise doch eine moderne GraKa sein kann. Kein Tuning-Tool unterstützt eine Drehzahl von unter 40 Prozent, ein BIOS-Mod für die 560 ist aktuell nicht möglich, egal ob mit FermiBiosEditor oder NiBiTor – sehr schade!

Alternativ hätte Gigabyte auch dickere Lüfter verbauen können, also keine 7mm(!)-Flachmännern, sondern 10er oder 12 (das würde nicht mal die Höhe der GraKa verändern) oder besser noch 15er, vielleicht sogar 20er, das ganze als Ultra-Silent-Edition verkaufen, eine Unique Selling Proposition erster Güte erschaffen und Tester weltweit erfreuen können. 99 Prozent aller Systeme verfügen weder über SLI noch Crossfire, hinegen aber wünschen sich sicherlich 99 % aller Nutzer ein möglichst leises System – das Setzen falscher Prioritäten ist wirklich ärgerlich! Wie lange müssen Freunde der Ruhe wohl noch warten, bis die Hersteller den seit langem geforderten letzten Schritt gehen? Geschieht dies noch vor dem Ende des Maya-Kalenders? Ich bleibe skeptisch.

 

JS für Orthy.de, C2011