Für eine Hand voll Euro

Großes Aufatmen in ganz Deutschland, bei rund 900.000 Arbeitern herrscht nun sogar echte Partystimmung, denn pünktlich zu Weihnachten gibt es eine ganz großes Geschenk: Eine massive, nie dagewesene, mehr als ausreichende Lohnerhöhung für Leiharbeiter, gesetztlich festgelegt und schon ab 1. Januar 2012 gültig. Der Wirtschaftsboom kommt nun also endlich auch bei denen an, die dafür so hart arbeiten mussten, dankbar sollten wir allen Ursula von der Leyen sein, denn Frau Aufrechtigkeit und Engagement war die treibende Kraft.

 

Viele Firmen mussten (oder wollten?) viel sparen in den letzten Jahren, also kündigten sie einem (Groß)Teil der Belegschaft, um diesen kurze Zeit später wieder als Leiharbeiter einzustellen. Das bejubelte Ergebnis: eine Ersparnis von 30 bis 40 Prozent bei den Lohnkosten. Das ist auch logisch, denn die Chefetage, die zwar locker 10 mal so viel verdient, würde sich ja nicht selbst kündigen, denn dann würde die Firma ja ad hoc pleitegehen. Reaktionäre Organisationen, allen voran die Dinosaurier namens Gewerkschaften, aber auch interne Verbände wie Betriebsräte und sogar, man höre und staune, linkes Gesindel wie denkende und soziale Menschen, die auf solch abstruse Schlagworte wie „Fairnis“ oder „Gerechtigkeit“ pochte, maulte natürlich umgehend auf. Man beschwerte sich über die „unhaltbare“ Lohndifferenz zwischen denen, die ganz normal angestellt sind und jenen, die als Leiharbeiter werkeln, man schmiss in den Raum, dass die Arbeit doch die gleiche sei und zu allem Überfluss ja auch die Planungssicherheit jedes Beschäftigten ob der geringen Kündigungsfristen und der generell leichten Kündbarkeit alles andere als zuträglich für das Arbeitsklima und die Produktivität sei. Tja, denen wurde nun die Luft aus den Segeln genommen, denn mit dem heute verabschiedeten Lohnuntergrenze von 7,01€ im Osten und sogar noch satteren 7,89€ im Westen is tder soziale Frieden gewahrt und jeder bekommt ein leckeres Stück vom Erfolgskuchen ab. Über 7 Euro – wow! Das sind bei 40 Stunden pro Woche und 22 Arbeitstagen im Monat stattliche 1234 Euro brutto im Monat, folglich rund 930 Euro netto (LSK 1, ohne Kirchensteuer oder betriebliche Altervorsorge). Von der Leyen hat also jedes Recht der Welt, sich vor die Kameras zu stellen und liebreizend wie immer „Gute Löhne für gute Arbeit“ zu säuseln.

Nun gilt es nur noch, „den zweiten Schritt zu tun“ – und diese Ansage gilt natürlich den Tarifpartner, also in erster Linie den massiv geschrumpften Gewerkschaften, die dafür sorgen sollen, dass alsbald equal-pay (also gleicher Lohn für gleiche Arbeit) realisiert wird. Das dürfte schnell und problemlos geschehen, denn die Arbeitgeber sind ja guter Laune, sich ihrer Verantwortung voll bewusst und weil in den ganzen letzten Jahren kein Stück mehr Lohn in die Tüte der Arbeitnehmer floss, was ja auch an den schlaffen Gewerkschaften lag, des Spieles überdrüssig und daher bereit, einfach mal mehr zu zahlen. Yeah!

So, puh, erstmal durchschnaufen, eine Freudenzigarre anzünden und den 20-jährigen Scotch aus der Bar holen. Habe ich noch etwas vergessen? Hmm, hmm, naja, viel eines noch: Anno 2002 definierten die EU und die Bundesregierung, dass die Armutsgrenze bei 938 € netto im Monat liegt, rechnet man die Inflation der letzten 9 Jahre mit ein, so liegt die Grenze heute bei 1050 Euro netto.

 

JS für Orthy.de, C2011