Ökobenzin und Regen auf Formel1-Strecken

Quizfrage: was haben E10 und Sprinkleranlagen auf Formel1-Strecken gemeinsam? Auf den ersten Blick nichts, denn das eine dient der umweltschonendereren Fortbewegung und das andere dem puren Entertainment. Doch was ist bitte schön „umweltschonend“ und was hat der Meister der Formel 1, Bernie Ecclestone, sich beim Beregnen der Strecken gedacht? Und was passiert, wenn man einen tieferen Blick in die Phänomene riskiert? Es endet nicht gut!

 

 

Für alle, die mit der Formel1 nicht so wirklich etwas am Hut haben, sei hier kurz erläutert, was Ecclestone sich gut vorstellen kann: weil die Formel1-Rennen so langweilig sind, wird seit Jahren am Regelwerk gebastelt, das sorgt zwar hier und da für Chaos, über heiße Überholmanöver und knackige Aufholjagden reicht es dennoch nur in den seltensten Fällen. Die hochkomplexe Aerodynamik, die Abhängigkeit von der Technik, das Nachtankverbot, die aktuell scheinbar unglaublich kurzlebigen Pirelli-Reifen und nicht zu letzt langweilige Strecken sorgen dafür, dass in 95% der Fälle der eigentlich Schnellere nicht in der Lage ist, dem langsamer vor ihm Herfahrenden zu überholen, das taktische Element dominiert, der Zuschauer gähnt. Aufregend wird es meist erst dann, wenn technische Fehler auftreten ODER wenn Petrus ob der Ödnis auf Erden anfängt zu weinen, die Rennstrecke also mit Regen benetzt. Da sich Petrus aber nicht jedes Rennen ansehen kann, er ist schließlich vielbeschäftigt, kommt es nur selten zu Regenfällen – das nun wiederum ruft einen anderen Gott, Ecclestone, auf den Plan, der kürzlich äußerte, er könne sich vorstellen, Sprinkleranlagen auf F1-Strecken zu installieren, um die Rennen aufregender zu machen. Ganz nach Gusto des Ersatzgottes könne man dann die Strecken bewässern, also aktiv in die Rennen eingreifen, das Feld bunt durchmischen und somit dem Publikum, welches alles andere als Schnäppchenpreise auch in so enorm reichen Ländern wie Brasilien und Spanien bezahlen muss, endlich wieder eine echte Show bieten. Wie genau die Beregnung ablaufen soll, was die Anlagen kosten usw. ist natürlich noch nicht geklärt, denn auch Ecclestone beherrscht die Merkel-Taktik des „erstmal-etwas-andeutens-und-dann-schauen-wie-das-Fedback-ist“. Halten wir aber vorerst eines fest: es sollen Millionen und Abermillionen Euro dafür ausgegeben werden, Wasser auf Rennstrecken zu gießen.

Der neue Kraftstoff „E10“, welcher die Beimengung von 10% Bioethanol zum normalen Benzin vorsieht,  wird gern als Schritt zum Bio-Kraftstoff angesehen. Die EU verordnete vor fast genau einem Jahr die Verdopplung des Bioethanolanteils und seitdem herrscht Chaos. Nicht alle Autos vertragen E10, außerdem E10 kein Schnäppchen, wohl aber weniger energiereich, immerhin rund ein Drittel weniger als herkömmliches Benzin. Ende 2010 fand das ARD-Magazin „Fakt“ heraus, dass Blausäure in E10-Abgasen gefunden wurde, bei einem Verbrauchstest musste die Auto-BILD feststellen, dass ein Mehrverbrauch von knapp 5 Prozent im Vergleich zum „alten“ E5 zu messen war, und letztlich könnte E10 sogar umweltschädlicher sein als das alte E5, was unter anderem daran liegt, dass viel Bioethanol improtiert werden muss, z.B. aus Brasilien, wo große CO2-Speicher  wie der Regenwald und viele Moore weichen müssen. Als ob dies alles nicht schon reichen würde, hat die Bundesregierung auch interessante Zahlen (PDF) vorgelegt, welche darstellen, dass jährlich rund fünf Millionen Tonnen Getreide, Mais und Zuckerrüben in die Tanks wandern werden – ein beeindruckende Menge.

So, schlagen wir den Bogen: einerseits werden also Millionen Tonnen Nahrungsmittel verfeuert, andererseits  sollen Millionen Liter Wasser auf Asphalt gegossen werden, um mehr Spannung in die umweltfeindliche Formel1 zu bringen.  Was halten hiervon eigentlich die über 900 Millionen an Hunger Leidenden auf unserem Planeten? Was denken wohl die 1,1 Milliarden Menschen, die schon heute massive Trinkwasserprobleme haben? Ob wohl auch nur irgendeiner der Betroffenen zu Brüderles Benzin-Gipfel eingeladen wird? Ob Ecclestone wohl bei den Rennen in Brasilien, Indien, Malaysia, Abu Dhabi oder China auch nur einen Blick über die Rennnstreckenzäune wirft, über den Tellerrand hinaus also? Wenn die Fußball-WM 2022 bei der Fußballweltmacht Katar stattfindet, sollen wohl die Stadien klimatisiert werden, welch enormer Energieaufwand hierfür nötig ist, dürfte nicht schwierig zu verstehen sein. Der Mensch ist des Menschen größter Feind, das global-soziale Denken hört beim Gelde und beim persönlichen Komfort auf.

 

JS für Orthy.de, C2011