(k)eine Kehrtwende in der Atom-Politik

Wir schreiben den dritten Monat nach der Abschaltung von Biblis A, also nach dem usprünglich angedachten Abschaltungstermin laut Automausstiegsplan der Schröder-Regierung, den jedoch die Kanzlerin mit ihrem gelben Koalitionspartner im „Herbst der Entscheidungen“ 2010 aufs Eis legte, um den Stromkonzernen gnädig zu erlauben, noch ein paar Milliarden Euro mehr zu verdienen. Die schreckliche Katastrophe in Japan ändert jedoch ein paar Dinge … oder nicht?

 

 

Das gestern ausgesprochene Moratorium (ein schöner alter Begriff für das schnöde Wörtchen „Aufschub“) beinhaltet im Kerne eine simple Sache: es wird überprüft, wie sicher die deutschen AKW sind und bis dahin werden die alten AKW abgeschaltet. Das ist eine Vorgehensweise, die absolut zu begrüßen ist, egal ob man Pro-Atom oder Anti-AKW ist, egal ob Grüner oder CDU’ler, doch was steckt dahinter?

Natürlich ist der Schock über die Katastrophe in Japan nicht von der Hand zu weisen, bei vielen Menschen schwirrt der Begriff Tschernobyl durch den Kopf, die Nachrichtenlage in Japan ist chaotisch, aber wenn schon von offenliegenden Brennstäben gesprochen wird, sollte auch der Letzte verstanden haben, dass hier kein kleiner Störfall, sondern eine enorm gefährliche Situation entstanden ist. Diese Situation gab es auch in den „15 Stunden der Blindheit“, dem Beinahe-GAU im Dezember 1987, doch Vertuschung und politisches Hardlinertum verhinderten eine nachhaltige Lösung. Was blieb, war eine Verschärfung der Überprüfungsintervalle, der damalige Umweltminister Klaus Töpfer setzte eine Quartalsprüfung durch, zuvor wurde nur jährlich überprüft. Umso verwunderlicher mag es anmuten, dass die Kanzlerin am 14. März noch davon sprach, dass es unmöglich sei, dass solche Ereignisse wie in Japan auch in Deutschland entreten können, um gerademal einen Tag später die Moratoriumskeule aus der Handtasche zu zaubern. Was war passiert?

Kein deutsches AKW muss einen Tsunami befürchten, auch Erdbeben der Stärke 8 und höher sind in Deutschland nahezu ausgeschlossen, zudem werden die AKW ja vierteljährlich geprüft – wie kommt es also zu diesem Sinneswandel? Die beängstigenden Meldungen aus Japan reißen nicht ab, die seit Tagen bestehenden Probleme wurden nicht gelöst und dummer Weise befinden wir uns ja im Superwahljahr – da muss die Kanzlerin natürlich handeln. Der öffentliche Diskurs läuft auf vollen Touren und die Guttenberg-Affäre hat, mag man sie sehen wie man will, immerhin für eines gesorgt: die politische Sphäre hat verstanden, dass das Internet zum Machtfaktor geworden ist. Peu a peu rieseln immer wieder neue Infos durch, ein Experte da, ein ehemaliger Wattenfall-Mitarbeiter dort, noch ein Experte hier und weil es so schön ist ein weiterer dort – die Atomkraftwerke stehen unter Dauerbeschuss und wer die Atompoltik der Regierung verteidigt, begibt sich in die Schusslinie. Die unbeantworteten Fragen der Sicherheit in Bezug auf terroristische Flugzeugangriffe und die Alterungsprobleme der gesamten Anlagen waren schon im letzten Jahr die Angriffspunkte schlechthin, doch die AKW, vor allem die „abgeschriebenen“ (also die, die mittlerweile „bezahlt“ sind, somit den Betreibern gehören), sind Gelddruckmaschinen erster Güte, das kann „man“ sich nicht entgehen lassen. Klientelpolitik hin, Parteispenden her, angesichts der Ereignisse in Japan ist es heute schlicht unmöglich, nicht gewisse Zugeständnisse zu machen, v.a. wenn man die Regierung ist, v.a. im Superwahljahr. Baden-Württemberg, das Stammland der FDP, die Hochburg der CDU, besitzt mit Biblis, Philippsburg und Neckarwestheim gleich drei absolute Oldies und am 27. März stehen Landtagswahlen an, die politischen Lager sind im Kopf-an-Kopf-Rennen – es droht ein politischer Super-Gau. Kürzlich sagte ein Sprecher der Münchner Rück, einem der weltgrößten Rückversicherer, dass 2011 „schlecht angefangen“ hätte, die Kosten für das Erdbeben in Christchurch und die Überschwemmungen in Australien sowie Deutschland schon beträchtlich seien und für den Rest des Jahres doch bitte keine weiteren Katastrophen kommen mögen, sonst wird das Börsen-Jahr für die Münchner Rück kein gutes. Nach Stuttgart21 und zu Guttenberg können Merkel und die CDU weitere Katastrophen auch nicht gebrauchen und gerade als die Lage Nordafrika zum Medienthema #1 wurde, gerade als der Zapfenstreich für zG für mehr Ruhe sorgt, gerade als man daei war, den Benzin-Gipfel als Erfolg zu verkaufen, knallt es im fernen Osten und die Erschütterungen gehen bis in die dt. Innenpolitik. In den nächsten Tagen werden immermehr unglaubliche Details ans Licht der Öffentlichkeit gelangen, schlampige Überprüfungen an erster Stelle, unsaubere Zahlungen an zweiter. Es wird ein heißer Tanz für die Regierung.

Krisenmanagement, sofortiges Handeln, Geschlossenheit zeigen – so weit, so gut, doch was wird sich nachhaltig ändern? Mit etwas „Glück“ werden zwei oder drei Oldtimer-AKW stillgelegt, aber nicht, weil „gravierende Sicherheitsmängel“ gefunden werden, sondern weil die Kanzlerin (und vll. auch Umweltminister Röttgen, wenn er denn darf) ein „Zeichen für die Zukunft“ setzen und „Deutschland in Sachen Umweltpolitik weiter voran bringen“ will.  Wenn Sie diese Worte in ein paar Wochen oder Monaten hören, und das werden Sie, schmeißen Sie einfach ein paar Groschen ins Phrasenschwein. Die Kraftwerksbetreiber und Stromkonzerne werden keine großen Einschnitte verkraften müssen, es wird allein das getan, was seit Jahren überfällig ist, es werden allein Fehler der jüngsten Vergangenheit ausgebügelt, aber am System nichts verändert.

Ich bin übrigens für die friedliche Nutzung der Atomkraft als Brückentechnologie, aber nicht zu Lasten der Sicherheit der Bürger und als Geldscheffelmöglichkeit der Konzerne. Strom ist lebenswichtig und kein simples Handelgut Fernseher und Kosmetika! Nicht der Staat soll Milliarden Euro an Subventionen liefern, sondern die Atomwirtschaft dazu gesetztlich verpflichten, sämtliche Gewinne in die Forschung ökologisch sinnvoller Technologien zu investieren und den Atommüll korrekt (sicher, schnell & nachhaltig) zu beseitigen. Und wenn die Konzerne sich sträuben, muss eine knüppelharte Verstaatlichung her. Spielt man mit dem Leben von Menschen, mit der Gesundheit von Millionen Bürgern, gehört man nicht fürstlich bezahlt, sondern in eine Müllsortieranlage verbannt!