Gibt es einen Qualitätsverfall bei Computerspielen?

Früher war auch manches schlecht!

 

Nach zwo Stunden Mausjonglieren wurde ich „Rebel Aussault“ überdrüssig, das innewohnende Prinzip des interaktiven Films nutzt sich halt schnell ab. Die Trail-and-Error-Exzesse bei „Commandos“ sind legendär und schworen schnell viel Frust und Wut herauf. Unglaublich schwierige Sprung-Szenen bei „Tomb Raider“ in Komination mit einem nutzerunfreundlichen Speicherpunktesystem und einer fürchterlichen Kameraführung sorgten für so manch lädierte Tastatur und die verflixten Tornado-Jets bei Strike Commander waren ebenso Quell heftiger Wutausbrüche. Die dramatische Überzahl der Spitfire in Aces over Europe, die dafür sorgte, dass die Messerschmitt BF-109 des Spielers schneller zersägt wurde als ein Truthahn zu Thanksgiving und die physikalisch unmöglichen Dauer-Loopings der Focker DR3 in Red Baron waren auch keine Glanzlichter – kurz gesagt: richtig nervigen Mist gab es auch früher schon und dies wahrlich nicht zu knapp!

Diese Linearität des Seins ist einer typisch urmenschlichen Eigenschaft geschuldet: schwarz & weiß, gut und böse – simple Denkmuster vereinfachen das Leben ungemein. Dem Freundlosen hilft der Feind sich in der Welt zu recht zu finden.

Hockt man abends und des Nächstens stets vorm PC,
zockt man mit Tunnelblick online zum Beispiel WoW,
sammelt man Items statt des Lebens Erfahrungen,
denkt man nur noch in Chats und Char-Bewahrungen,
so sondert man sich von der Umwelt ab
und schaufelt sich sein dumpfes Grab.

In der Straßenbahn hört man Sechstklässler heute eher über Headshots, UZIs & Zombies als über Hausaufgaben, Lehrinhalte oder Bücher reden. Abgesehen davon, dass die Heranwachsenden die meisten Spiele, die sie zocken, noch gar nicht spielen dürften und sollten, und somit die Entwicklung einen tendenziell unguten Weg beschreitet, sorgt eben dies für ein Phänomen, welches früher fast ausschließlich den Konsolen vorbehalten und der heute vorsintflutlich amutenden Technik geschuldet war: simple Spiele mit viel Krachbumm und bunten Bildern. Anno 1995 war es einem Zehnjährigen nicht möglich, „Doom“ zu installieren, denn die DOS- und Englischkenntnisse reichten dazu nicht aus (zumindest in 99,9% der Fälle). 15 Jahre später kann mit wenigen Mausklicks ein Spiel installiert werden und wenn Pappa gerade einkaufen ist, Mama die kleine Schwester vom Hort abholt, schnappt sich der Junior flink die PS3 und daddelt eine Runde „Uncharted 2“. Man kann es dem Jüngling nicht verübeln, denn U2 ist ein Spitzenspiel, aber eben für Ältere gedacht. Die Spielindustrie weiß ganz genau, was der 11-Jährige von heute will und kommt es zur Frage, wie ein Spiel X ausgerichtet werden soll, werden in Sachen Gameplay, Effekte, Story usw. eher Abstriche gemacht, damit es auch der Junior zocken kann. Dass sein älterer Bruder schnell von der Langeweile gepackt wird, dass spielende Twens geradezu einschlafen, macht ja nix, denn das Spiel ist verkauft und die neue Generation an Spielern wird fröhlich weiterkonditioniert.

Als aktuelles Paradebeispiel für die VerKONSOLisierung darf Crysis 2 ins Feld geführt werden, auch wenn diese Kolumne teils extrem ins Detail geht, so beschreibt sie doch im Kerne die Problematik ausdrucksstark.

 

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