Gibt es einen Qualitätsverfall bei Computerspielen?

Casualitis und Trash-Gaming

 

Man darf nicht nur aus persönlicher Sicht über die Entwicklungen der letzten jahre betrübt sein, besser gesagt: stinkstocksauer, nein, auch aus wissenschaftlicher Sicht darf man sich aufregen. Man muss nicht wissen, was sich die Freaks am M.I.T. damals gedacht haben, als sie auf einem Oszilliloskop erstmals so etwas ähnliches wie ein Computerspiel hervorbrachten oder was die Erfinder von PONG dachten, als sie auf diese zwar simple, doch bahnbrechende Idee kamen, aber eines steht fest: sie haben gedacht! Cogito ergo sum? Das Heute beweist, dass man existieren kann, ohne denken zu müssen, es ruft das altgriechische beos ins leere oikos, es stampft der cerebrale homo sacer durch die Welt, über Big Brother hat man vor über 10 Jahren geschimpft, über Doku-Soaps tut man es heute noch, vollkommen zu recht natürlich, das begriffliche Paradoxon („Doku“ und „Soap“ – also Aufzeigen der Realität UND das Inszenieren selbiger) etablierte sich dennoch – das zeigt schon, in welche Richtung der (öffentliche) Diskurs geht. Seit Jahren beschäftigen sich schlaue Menschen mit Konfiguarionsebenen (Kücklich), mit Spielphilosophie (Juul), basteln Fans an Total Convertions und hervorragenden Mods, und währenddessen sitzen abertausende Programmierer, Designer, PR’ler, Marketingschnösel und BWL’er an Spielen, die all das Potenzial, als die Logik, die Kreativität, also all die inherenten Attribute sukzessive vernichten. Es gibt Spiele, die mit „Casual-Game“ noch euphemistisch beschrieben sind, wobei der Stumpfsinn als alltägliche Erfahrung wahrlich nimmer zu leugnen ist, doch gewisse Spiele, Unwerke erster Güte, verdienen „casual“ nicht einmal, sie müssen als das bezeichnet werden, was sie wirklich sind, ohne Blatt vor dem Mund, ohne beruhigende Relativierungen! „Totally Ridiculous And Seriously Humble“ -Games! TRASH! Vom Causal-Game zum TRASH-Game ist es nur ein kurzer Weg, doch wieso? Nun, ein Casual-Game bedeutet ja soviel wie etwas Alltägliches zu virtualisieren, also kein übertriebenes Heldenepos, kein SciFi-Abenteuer, nicht mal ein Abenteuer an sich, sondern etwas „Normales“, etwas Gewöhnliches nachzuspielen. Es ähnelt daher stark einem gewissen TV-Formaten, der Daily-Soap, in welcher das alltägliche Leben präsentiert wird, und hierrüber wunderte sich schon vor Jahren der Kabarettist Dieter Hildebrandt, als er sagte, er könne nicht verstehen, warum im Fernsehen das Leben gezeigt wird, wie es ist, er sich also das Leben anschauen soll, obwohl er es doch selbst schon erlebt. Der intellektuelle Weichzeichner, ein buntes-Leben-Filter, Vereinfachungen aller Art und letztlich das Happy-End sorgen jedoch dafür, dass die virtuelle Version eben nicht der Realität entspricht. Besonders in der Vereinfachung liegt eine große Gefahr, anhand der unzähligen „Alltagssimulationen“ von UIG und natürlich auch der Konkurrenz von Astragon sieht  man die Folgen: Spiele, die nicht nur technisch, sondern auch in Sachen Präsentation, Gameplay und Bedienung auf dem Stand von vorgestern sind,  denen man zudem aber auch anmerkt, dass eine Qualitätskontrolle fehlt und Ansprüche erst gar nicht gestellt werden. Hier hilft auch der Dispositiv kaum noch, obwohl man natürlich bedenken muss, wie sich die Zielgruppe solcher Spiele zusammenstellt. Nicht der Core-Gamer, nicht der Simulationsexperte, nicht der erfahrene Spiele soll sich ein solches Machwerk kaufen, sondern der Einsteiger, der Zwischendurchdaddler, und genau diese tun es auch, hunderttausendfach. Wer auch nur ein bisschen Sachverstand hat, wer auch nur ein Mindestmaß an Erwartungen hegt, wird enttäuscht und kommt nicht umher, sich über Spiele solcher Art lustig zu machenSo gesehen, besitzen diese Spiele sogar einen Sinn, und eigentlich sind die Kritiken noch das Beste. Es fällt schwer, zu sagen, dass diese Spiele eine Existenzberechtigung haben, weil sie eben das Alltägliche nicht abbilden, die Werbeaussagen glatte Lügen sind, somit eben auch das Mindestmaß an Anspruch nicht erfüllt wird, aber das ist ein altes Problem, welches nicht erst seit Münchhausen oder dem Wahlkampf in ach-so-demokratischen Systemen existiert. Gegen Dummheit gibt es leider keine Gesetze und so führt man sich den Dispositiv vor Augen und denkt an Franz Münteferings legendären Spruch, dass man doch Politiker nicht immer an ihren Aussagen, die sie im Wahlkampf machten, messen solle.

 

die gute alte „umgebungsrelative“ Steuerung


Wenn man erstmals an einem First-Person-Shooter sitzt, ist eines der Hauptprobleme bei der Steuerung das „Strafen“, also das Seitwärtsgehen. Das Ausweichen, das Beschießen mehrerer horizontal befindlicher Ziele, das Gleiten in eine Deckung und aus selbiger hinaus geht ohne Seitwärtsschritte nicht wirklich. Hat man sich daran gewöhnt, möchte man es nimmer missen, umso ägerlicher, dass gerade bei 3rd-Person-Spielen genau diese Möglichkeit sehr sehr oft fehlt. Es ist natürlich mit einem gewissen Denkaufwand verbunden, sich in den Avatar hineinzuversetzen, man sieht ihn von schräg links oben, er schaut dem Spieler in die Augen, man drückt „Cursors Links“ und er geht direkt nach rechts vorn – ja, durchaus etwas verwirrend, aber auch dies ist nur eine Frage der Übung, nicht etwa ein Zaubenwerk. So der Spieler über ein gescheites räumliches Vorstellungsvermögen verfügt, ist das keine große Herausforderung. Kinder scheitern hieran natürlich, je jünger desto drastischer. Sie sind dankbar für die umgebungsabsolute Steuerung, bei welcher man immer nach links geht, wenn man den „Cursor Links“ drückt. Der Avatar dreht sich also z.B. um 90 Grad und läuft dann geraudeaus. Ein seitliches Ausweichen ist dann aber nicht möglich, zudem muss, um wieder in die usprüngliche Richtung laufen zu können, „Cursor Hoch“ gedrückt werden und der Avatar muss sich abermals um 90 Grad drehen. Vergeudete Zeit und verpasste Möglichkeit aufgrund einer lediglich auf den ersten Blick komfortablen Steuerung – ja, auf Konsolen seit eh und je Standard, ist ja auch egal, ob man es via Cursor-Tasten oder Gamepad realisiert, aber eben leider mittlerweile eine grassierende Krankheit auch bei Computerspielen. Nicht nur beim Strafen ist die uaS hinderlich, auch beim Rückwärtsgehen, bei dem man den Gegner weiterhin geschießen kann – dies geht nämlich nicht, wodurch ein nicht unwichtiges taktisches Element komplett wegfällt.
Auch der zweite Punkt, die Übersichtlichkeit im Zusammenspiel mit einer frei wählbaren Kamera, bringt ein unschönes Ergebnis für die uaS hervor: justiert man die Kamera, wechselt man die Position eben dieser, so kann die bei der umgebungsrelativen Steuerung eingeschlagene Richtung beibehalten werden. Bei der umgebungsabsoluten Steuerung hingegen muss man die Taste wechseln, teils (so man sich in einem 45°-Winkel bewegen will) sogar zwo Richtungstasten drücken – auch hier ist die Basis, das tastenüberfüllte Gamepad mit zwo analogen Steuerknüppeln, unverkennbar. Das Geradeauslaufen in z.B. einem 60°-Winkel ist mit der uaS nicht möglich, außer man tippt unbequem ungenau, einen wackelnden Avatar zur Folge, wild auf zwo Richtungstasten herum. Mit der umgebungsrelativen Steuerung hingegen  ist ein direkter Laufweg samt 360°-Kamerafahrt herrlich simpel. Kommt dann noch der unvorhersehbare Wechsel der Kameraperspektive hinzu, im schlimmsten Falle sogar eine fixe Position, tritt dann auch noch das alte Problem der von Wänden und Gegenständen begrenzten Kamera auf, dann ist die Übersicht gleich Null, die Orientierung eher ein Glücksspiel. Da alle diese Negativphänomene in ihrer schlimmsten Form bei der Assassin’s Creed-Reihe vorkommen, nenne ich diese Kamera-Chaos zukünftig nur noch „AC-CC“.

 

die Teilphänomene des „Untergangs“


Anhand der bisher betrachteten Beispiele lässt sich eine gewisse Systematik entwickeln, deren Punkte zwar nicht in jedem Falle zutreffen müssen, die aber eine Art Vorsichtsleitfaden konstituieren kann. Es sei einem jedem selbst überlassen, die Aspekte zu beruteilen, für sich als relevant oder unwichtig zu betrachten, aber die Entscheidung zum Kauf eines Spieles sollte auf jeden Fall gewissenhaft erfolgen.

typische Elemte der Casualisierung und der VerTRASHung:

– hoher Grad an Schlauchigkeit in der Spielwelt und bei der Story
– damit einhergehender geringer Wiederspielwert
– mangelhafte Maus-Unterstützung
– Existenz der umgebungsabsoluten Steuerung (bzw. des AC-CC)
– hoher Grad an In-Game-Hilfen
– Fehlen eines Handbuches
– massives Auftreten von geskripteten Ereignissen und Cut-Scenes
– fehlende Gegner-KI (Schwierigkeit ofmals nur geschaffen durch Gegnermassen und/oder dauerndes Respawnen der Gegner)
– Fehlen der LAN-Unterstützung bei potentiell multiplayerfähigen Spielen
– Art und Weise der Werbung (Reichweite, Intesität, Anteil am Gesamtbudget)

 

Treu nach der Devise „ein Bild sagt mehr als tausend“ Worte sei auf eine kleine Grafik verwiesen, die seit Wochen im WWW kursiert:

 

PhysX bleibt ein ungeliebtes Kind


Eigentlich ist PhysX ja eine tolle Idee: via Hardwarebeschleunigung Spielen einen höheren Realitätsgrad zu verpassen, sie damit komplexer zu gestalten, hat wirklich etwas für sich, denn betrachtet man v.a. ältere Spiele, so verhalten sich Gegenstände gern physikalisch unsinnig, was selbstverständlich nicht gerade zum Spielvergnügen beiträgt. Es gab schon vor PhysX einige Spiele, die ganz besonders durch ihr Physikengine glänzen wollten, doch überzeugen konnte kein Titel, Jurassic Park Trespasser z.B. floppte, die inkonsequente Umsetzung und viele handwerkliche Fehler sorgten eher für ungläubiges Kopfschütteln statt Staunen (im Video besonders gut ab der 7. Minute zu erkennen). Auch neuere Titel wie Half-Life 2 zeigten zwar sehr gute Ansätze, doch da der Spieler eine vorgehaltene Coladose als Schutzschild nutzen konnte, wurde schnell klar, das die Physikengine Grenzen hat, die leider zu schnell erreicht werden. Da die aktuelle Konsolengeneration kein PhysX unterstützt und sich kaum ein PC-Spieler eine 100€ teure Zusatzkarte kaufen wollte, blieb PhysX ein Nischenprodukt, kaum ein Entwickler kümmerte sich darum. Die Liste der PhysX-Spiele ist daher wenig überraschend recht übersichtlich,  und schaut man sich z.B. potenzielle Kracher wie MAFIA II genauer an, betrachtet man z.B. diesen epischen Screenshot, kann man auch hier nur mit dem Kopf schütteln. PhysX steckt in der Zwickmühle: entweder es dient allein der optischen Aufwertung, als eine Art i-Tüpfelchen bzw. Bonus oder es wird gameplayrelevant, hierfür aber muss es dann zwingend notwendig sein, was ATI / AMD aber natürlich nicht mitmachen wird, was die aktuellen Konsolen nicht leisten können und die NextGen-Konsolen wohl ebenso nicht, denn der Entwicklungsaufwand ist enorm und ob er sich „auszahlt“, ist äußerst fraglich. Im Nachhinein PhysX zu implementieren, ist eine halbgare Angelegenheit und der PC-Spieler schaltet dann PhysX eher ab, um Rechenleistung zu sparen.

 

Konsolen als Bremsklötze in Sachen Grafik

 

Zugegeben: die modernen Spiele sehen schon teilweise richtig „real“ aus, Gesichtszüge und Schattenwürfe, Lichteffekte und komplexe Polygonmodelle sieht man gern und auch nicht mehr allzu selten, doch die Konsolen fungieren als Bremsklötze. Wir bereits beschreiben sind die aktuellen Konsolen ja technisch veraltet, sie sind aber der Referenzpunkt bei der Entwicklung von Multiplattformspielen. Natürlich kann man nachträglich die PC-Version noch optimieren, man kann sich austoben bei den Texturen, bei der Kantenglättung, bei all den vielen Möglichkeiten, die DirectX bietet, doch dies geschieht nie auf ganzer Linie, viel Potenziel liegt einfach brach.
Die Konsolen beherrschen kein DirectX 10 oder 11, die 10er Version verkam zur Todgeburt und die 11er Version wird bis heute beim besten Willen nicht ernsthaft genutzt. Crysis 2 bietet auf dem PC nicht mal mit dem ersten Patch, der noch vor der Veröffentlichung des Spieles herauskam, DirectX 11 an – gerade bei einem solchen Spiel, welches die Grafikreferenz sein soll, ist das ein Schlag ins Gesicht der PC-Spieler.
Auch über viele andere aktuelle Spiele liest man stets die gleichen Klagen: die Texturen sind verwaschen, das Tearing nervt, Animationen wirken abgehackt, Soundaussetzer stören ebenso, die Tiefenschärfe ist mangelhaft und massive „Slowdowns“ (Bildrateneinbrüche) sorgen für Frust – kein Multiplattformspiel, welches nicht mindestens eines oder gar zwei solcher Probleme aufweist. Die Optimierung für den PC gestaltet sich also mangelhaft und NVidia sowie ATI/AMD müssen sich fragen, warum sie eigentlich so viel in die Entwicklung von DX10 und vor allem 11 gesteckt haben, wo der Zugewinn an Qualität doch so spätlich ausfällt. Zu allem Übel wird sich das Bild auch nicht kurzfristig verbessern, denn die nächste Geneneration an Konsolen wird kaum vor Ende 2012 den Markt betreten, knapp 2 Jahre darf der PC-Spieler also noch Frust schieben und sich zurecht über die Konsolen beschweren.

 

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