Gibt es einen Qualitätsverfall bei Computerspielen?

die Spieldauer – ein teures Stundenhotel

 

Noch zu Studienzeiten erzählte mir ein Freund, dass er mittlerweile über 100 Stunden an Elder Scrolls III: Morrowind sitzen und immer noch neue Quests finden würde – wow! Zur gleichen Zeit spielte ich „Star Trek: Voyager: Elite Force“ (für 10€ am Grabbeltisch), nach runden sieben Spielstunden war das Spiel durch, hätte ich dafür den vollen Neupreis von damals 70 D-Mark bezahlt, hätte ich mich wohl heftig geärgert. Mit Strike Commander habe ich Wochen verbracht, über 3000 Runden habe ich in den ’90ern wohl in Taladega gedreht (Nascar Racing, Diskettenversion!), bei Half-Life oder Duke Nukem ist sowas natürlich nicht möglich, aber da unterschieden sich eben die inherenten Spielprinzipien. Endlosspiele wie The Sims oder die diversen Fußballmanager, MMORPGs wie World of Warcraft und natürlich abstrakte Spiele wie Tetris oder Solitair habe keine echte Story, es geht nicht um EIN Ziel, dafür aber gibt’s einen ewig langen Weg für Perfektionisten zu beschreiten, kein Rennen ist wie das andere, kein Kampf identisch mit einem vorherigen – es ist also immer wieder etwas Neues dabei, wenn auch die Unterschiede teils verschwindend klein sein können. Nach einer Weile (Tage? Wochen? Monate?) fängt man an, nicht mehr allen das Spiel zu spielen, sondern mit dem Spiel zu spielen – eine selbstgemachte Langzeitmotivation findet hier eine prächtige Basis. Anders schaut es natürlich bei klassischen, linearen Spielen aus: natürlich kann man Half-Life mehrmals durchspielen, aber der Wiederspielwert hält sich in Grenzen, denn sind Rätsel gelöst (etwas Forderndes, etwas Überraschendes), so stellt das Spiel keine Herausforderung beim zweiten Durchspielen mehr dar. Vor allem bei 3D-Shootern ist das wunderbar zu erkennen: Wolfenstein (2009), „Clive Barkers Jericho“ oder „Splinter Cell: Conviction“ sind an einem Tag erledigt, fertig, aus. Eigentlich müsste man auch gar nicht mehr irgendetwas drüber schreiben, wenn da nicht die Problematik des Geldes wäre: es ist und bleibt eine Dreistigkeit erster Güte, ein Spiel, welches selbst der Normalospieler binnen 6 Stunden durchspielt, für 45€ zu verkaufen. Der Gegenwert steht in keiner Relation zum Preis, selbst 3D-Kino in der Loge ist da günstiger. Gerade Shooter-Fans werden heftig zur Kasse gebeten, die Spieldauer-Kaufpreis-Relation ist bei Shootern durchweg sehr ungünstig, vergleichen mit Rollenspielen sogar unterirdisch. Potenziell „unendliche“ Spiele wie die div. Sportmanagerspiele oder MMORPGs sind so gesehen geradezu Schnäppchen – es ist ein altes Dilemma, welches im inherenten Spielprinzip tief verwurzelt ist. Wenn ein Shooter wie Call of Duty eine Spielzeit von 20 oder 30 Stunden hätte, würde sich keiner über die Spieldauer beschweren, doch andererseits wären Klagen bzgl. der ständigen Wiederholungen bzw. der miesen Abwechslung an der Tagesordnung. Hieran sieht man gut, welches strukturellen Probleme einzelne Genres haben: der Shooter ist in sich so unkreativ gestaltet, bietet so wenig Abwechslung, dass er schnell langweilig wird. Werden nicht Rollenspielelemente eingebaut, so wie z.B. bei der Mass Effect-Reihe, bleibt allein der Multiplayer-Modus, der noch für eine bessere SKR sorgt. Gute Shooter schaffen es somit auf deutlich mehr als 10 Stunden Spieldauer, auch 20 oder 25 Stunden sind möglich, darüber jedoch wird es äußerst schwierig. Am Beispiel der 2010er Ausgabe von „Medal of Honor“ zeigt sich die ganze Krux: ein liebloses Spiel, ohne Story, ohne KI, eine großes Tamtam drumherum, ein mieser Multiplayer-Modus und eine unverschämt kurze Single-Player-Kampange – na, da darf man sich doch direkt ein wenig hämisch freuen, wenn Electronic Arts tiefrote Zahlen schreibt, das darf man aber auch ganz unsubjektiv als gerecht empfinden, denn gerade EA zeigte in den letzten Jahren massenhaft, wie man möglichst viele Dinge falsch machen kann. Wo EA frühr noch für Qualität stand, für „AAA-Titel“, so mehren sich seit geraumer Zeit Aussagen wie „Ohjee, EA, na das Spiel kann ja nichts werden!“ der „Das wird wieder so ein öder Abklatsch!“ und auch ganz einfach „Nein! Bitte nicht EA!“. Der neuste Titel der „Need for Speed“ Reihe wurde zwar an Criterion Software übergeben, doch natürlich musste es ein „EA-kompatibles“ Spiel werden, so wie die Teile namens Underground, Carbon, Nitro oder das klägliche Spielchen namens „World“, dies heißt: Verzicht auf einen hohen Realismusgrad, Verzicht auf eine (ausgeprägte) KI, im Falle von Hot Pursuit 2010 dann sogar Rückschritte in Sachen Straßenblockade (ab 2:49 min), Streckendesign, Präzision der Steuerung etc. pp., dafür gibt’s einen eingebauten Foto-Modus und die Möglichkeit, via WebCam ein Nutzerbild zu erstellen. Für das Gameplay herzlich egal, jedoch wird die Präsentation aufpoliert – falsche Prioritäten wohl nur in den Augen erfahrener Spieler. Aber greifen wir an dieser Stelle mal zum Dispositiv: erwartet man ein ernsthaftes, kniffliges doch auch faires Spiel, eines mit Tiefgang, Physik und KI, ist man komplett falsch beraten, HP zu kaufen. Erwartet man ein wunderschönes, buntes, knalliges Acrade-Action-Spektakel, ist Hot Pursuit keine schlechte Wahl. Die Folge: RTL-Fans & 14-Jährige freuen sich wie ein Schnitzel, allen anderen bleibt nur der Facepalm.

Legen wir bei EA noch drei Briketts nach: in einer interessanten Kolumne zerpflückt Leonidas die Manager-Funktion von NBA 2011 und macht deutlich, dass aus der Vergangenheit nichts gelernt wurde.  „Niederschmetternd“ trifft es sehr gut, auch wenn ich nun alles andere als ein Basketballfan bin, so kann ich das Entsetzen über diesen heftigen Fehler im Spiel nachvollziehen. Die Spieldauer wird durch Spielfehler deutlich beschränkt. Doch auch Freunde des PC-Fußballs sind EA scheinbar euch nicht so wichtig wie die Konsoleros, denn FIFA 11 für den PC ist nur eine aufgewärmte Version von FIFA 10, die Torhütersteuerung gibt’s auf dem PC nicht, fortgeschrittenes Passspiel sowie individuelle Fähigkeiten auch nicht, dafür aber die eine Unmenge an unpassenden Kommentaren. Da darf man sich fragen: Wird der PC stiefmütterlich behandelt?

 

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